13. Dezember 2023
Die Ampel hat den Bundeshaushalt für 2024 vorgestellt – und es kommt noch schlimmer als erwartet. Worauf sich die Menschen im neuen Jahr freuen dürfen: steigende Preise, weniger Sozialstaat und anhaltende Wirtschaftskrise.
Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner bei ihrem gemeinsamen Pressestatement zu den Haushaltsverhandlungen.
Lindner hat gewonnen. Er konnte für den Bundeshaushalt 2024 wieder an seinem Sparkurs festhalten: Im nächsten Jahr gibt es keine Steuererhöhungen für die Superreichen und die unreformierte Schuldenbremse soll ohne Umgehungen wieder greifen. Nur für ganz bestimmte Zwecke soll die Aussetzung der Schuldenbremse geprüft werden – etwa für die Ahrtal-Katastrophe und gegebenenfalls für weitere Ukraine-Hilfen.
Dabei bestand sowohl die dringende Notwendigkeit als auch eine historische Chance, die Schuldenbremse ordentlich auszusetzen: Die Krisen verschärfen sich immer weiter und das Verfassungsgericht entschied, die Schuldenbremse hart auszulegen. In dieser Zwangslage brachten auch SPD und Grüne in den letzten Wochen etliche Vorschläge ins Spiel. Die SPD hat sogar auf ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende das Aussetzen der Schuldenbremse sowie eine Vermögensabgabe für Superreiche beschlossen. Wie ernst die Sozialdemokratie das meinte, ist jetzt innerhalb kürzester Zeit deutlich geworden: gar nicht.
Zu den Fakten: Das staatliche Defizit wird trotz etlicher Krisen und entgegen selbst der Meinung des ökonomischen Mainstreams weiter gesenkt. 2023 betrug es 3,6 Prozent, 2024 soll es auf 1,5 Prozent zurückgeführt werden. 17 Milliarden Euro muss der Staat aufgrund des Verfassungsgerichtsurteils im nächsten Jahr zusätzlich einsparen. Bis 2027 sind es 45 Milliarden. Dies soll geschehen, indem klimaschädliche Subventionen abgebaut und Ausgaben in bestimmten Ministerien sowie Bundeszuschüsse verringert werden.
Unter den Abbau klimaschädlicher Subventionen fällt zum Beispiel die Einführung einer Kerosinsteuer im nationalen Flugverkehr oder der Subventionsabbau beim Agrardiesel. Daneben soll eine Abgabe für Unternehmen, die Plastik in Umlauf bringen, eingeführt werden. Das klingt zwar alles nett und wird auch zu einigen Einsparungen führen, die höheren Kosten werden aber zum Teil auch durch steigende Preise an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben. Bei der Plastikabgabe ist das Wirtschaftsministerium anscheinend sogar so naiv, zu glauben, die Konzerne würden freiwillig ihre Gewinne reduzieren.
Bei den einzelnen Fachministerien wird an etlichen Ecken und Enden gespart. Oder wie Lindner gerne dazu sagt: Alle leisten ihre Beiträge. Darunter sind etwa das Bau-, Umwelt-, oder Verkehrsministerium. Auch Habeck muss dabei Federn lassen. So soll die Prämie für E-Autos früher als geplant auslaufen. Das ist nicht weiter schlimm. Viel schlimmer ist allerdings, dass es auch keine Förderungen für die Solarindustrie geben wird.
»Nicht einer der von Scholz, Lindner und Habeck vorgestellten Punkte ist wirklich gut – und der überwiegende Teil geradezu verheerend.«
Die heftigsten Einschnitte gibt es aber beim Sozialen. So soll etwa der Bonus beim Bürgergeld für Weiterbildungen gekürzt werden. Im Gegenzug werden Sanktionen beim Verweigern einer Arbeitsaufnahme verschärft. Das bedeutet ganz konkret: Die positiven Anreize, die kurzfristig mehr Kosten, aber den Menschen, der Gesellschaft und dem Staat mehr bringen, werden zurückgefahren und kurzfristig günstige Maßnahmen wie Sanktionen ausgebaut. Trotzdem will uns der selbsternannte Respekt-Kanzler verkaufen, dass dies kein Sozialstaatsabbau sei. Auch sollen Geflüchtete aus der Ukraine schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden, um staatliche Kosten zu senken und Steuereinnahmen zu erhöhen. Doch diese Säule des Haushalts ist auf Sand gebaut, schließlich müssen sich die davon erwarteten Summen erstmal bewahrheiten.
Zwei Maßnahmen werden die Mehrheit der Menschen besonders belasten: Der CO2-Preis wird von 30 Euro auf 45 Euro pro Tonne weiter angehoben – komplett ohne soziale Rückverteilung etwa durch ein Klimageld. Das bedeutet praktisch eine Steuererhöhung von 3,5 Milliarden durch die Hintertür. Auch sollen die 5,5 Milliarden Euro Zuschuss für die Netzentgelte gestrichen werden. Das trifft über höhere Energiepreise vor allem kleine und mittlere Geldbeutel und ist ein Konjunkturprogramm für die AfD. Denn worum sich Menschen, die der AfD derzeit ihre Stimme geben wollen, am meisten sorgen, sind die steigenden Preise. Man muss es so hart sagen: Die Ampel bereitet den Faschisten mutwillig den Weg.
Und das ist noch nicht das Ende der Preistreiberei: Zum Jahreswechsel steigen obendrein die Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die LKW-Maut, die Netzentgelte und ab März auch die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme. Das alles sind de facto Steuererhöhungen – auch wenn die Hälfte anders bezeichnet wird – und werden das Leben der Menschen weiter verteuern. Zudem sind diese neuen und alten Preiserhöhungen auch Gift für die Wirtschaft. Denn das Geld, das den Menschen aus den Taschen gezogen wird, können sie nicht mehr ausgeben. Damit sinkt die Wirtschaftsauslastung noch weiter, wodurch die Arbeitslosigkeit steigt und die Löhne schwächer wachsen.
Durch eine Regierungskrise, in der es großen Reformdruck gibt, kann es stets entweder besser oder schlechter werden. Mit der Ampel wird es wie gewohnt immer schlechter. Nicht einer der von Scholz, Lindner und Habeck vorgestellten Punkte ist wirklich gut – und der überwiegende Teil geradezu verheerend.
Dabei hätte es selbst auf technokratischer Ebene Spielräume gegeben, um der Regierungsarbeit finanzielle Beinfreiheit zu verschaffen, die sogar im Einklang mit der Schuldenbremse und dem Koalitionsvertrag gewesen wären – so könnte man die Zinszahlungen über mehrere Jahre strecken, anstatt sie in einem Jahr zusammenzufassen, oder die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse an der möglichen und nicht an der vergangenen Wirtschaftsauslastung ausrichten. Das wäre das mindeste, was man von einer »Fortschrittskoalition« erwarten dürfte.
Was es eigentlich bräuchte, ist genau das Gegenteil der Ampel-Politik: Die Preise senken – von Grundnahrungsmitteln bis hin zum ÖPNV. Die Schuldenbremse aussetzen, umgehen und reformieren, statt derart irrational an ihr festzuhalten. Und vor allem die Steuern für die Superreichen erhöhen, statt für die große Mehrheit.
Lukas Scholle ist Volkswirt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Deutschen Bundestag und Kolumnist beim Jacobin Magazin.