08. Dezember 2022
Arbeiterfilme gehörten einmal zum Standardrepertoire der Öffentlich-Rechtlichen.
Parallel zu den Fabrikschließungen vollzog sich die Räumung der Produktionsbüros.
Alfred Schefczyk ist Hilfskraft in einer Fabrik im West-Berlin der späten 1960er Jahre. Der gelernte Schlosser, der gerade erst aus einer kleinen Stadt in Süddeutschland weggezogen ist, findet sich im Zentrum einer Reihe von Konflikten: Der Berliner Senat beschließt, die Mieten im Wohnheim zu erhöhen; die 150 Arbeitsplätze sollen nach Westdeutschland abwandern, um Facharbeiter durch ungelernte Arbeiter zu ersetzen; die Betriebsleitung veranlasst eine Neu-Taktung der Akkordarbeit, wodurch die Löhne sinken. Alfred und seine Kollegen fragen sich immer wieder: Was tun mit der Wut auf die Verhältnisse? Wohin entlädt sie sich, nach unten oder nach oben, nach links oder nach rechts? Verhärten sich die Konfliktlinien zwischen Jungen und Alten, Zugezogenen und Eingesessenen, ungelernten und gelernten Arbeitern? Oder schweißt sie der gemeinsame Unmut vielmehr zusammen?
Alfred ist der Protagonist des Films Liebe Mutter, mir geht es gut (1972), einem herausragenden Beispiel des sogenannten Arbeiterfilms. Zwischen 1967 und 1976 wurde das Genre durch den WDR, NDR und HR gefördert und aufgrund massiven Drucks durch die CDU/CSU dem Niedergang geweiht. Das ganze Projekt nahm seinen Anfang Mitte der 1960er Jahre in der Fernsehspiel-Abteilung des NDR sowie der Abteilung Spiel und Unterhaltung des WDR. Die direkte Zusammenarbeit mit den Beschäftigten, Betriebsräten sowie Gewerkschaften war stilgebend für das Genre, das sich explizit gegen das sogenannte deutsche Autorenkino wendete, das seit dem Oberhausener Manifest von 1962 die individuelle Genialität des Regisseurs verklärte. Unter der Leitung von Redakteuren wie Egon Monk und Günter Rohrbach, die zum linken Flügel der SPD gehörten, entstand so ein öffentliches Fernsehprogramm, das vom Alltag der arbeitenden Klasse erzählte.
Eine der wichtigen frühen Gegenpositionen zu dieser Künstlerromantik war Klaus Wildenhahns In der Fremde (1967), der den Arbeiterfilm nachhaltig prägen sollte. Der knapp 80-minütige Dokumentarfilm beleuchtet die Lebensumstände saisonaler Bauarbeiter in der norddeutschen Provinz. Im Zentrum stehen die Konflikte, die sich zwischen ungelernten und gelernten Arbeitern sowie zwischen dem Zigarre rauchenden Bauleiter und der Arbeiterschaft entspinnen – um Bezahlung, Überstunden, Schichtarbeit.
Du hast ein Abo, aber hast dich noch nicht registriert oder dein Passwort vergessen?
Klicke hier!