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16. September 2025

Denkmäler überdenken, Unbenannte benennen

Dan Hicks, Professor für zeitgenössische Archäologie in Oxford, findet: Welche Figuren mit Statuen gewürdigt werden und wessen Schädel anonym in Museumsdepots liegen, ist kein ewiges kulturelles Erbe, sondern muss Gegenstand demokratischer Aushandlung sein.

Protesten und demokratischen Beschlüssen zum Trotz erinnert in Oxford noch immer eine Statue an den viktorianischen Imperialisten Cecil Rhodes.

Protesten und demokratischen Beschlüssen zum Trotz erinnert in Oxford noch immer eine Statue an den viktorianischen Imperialisten Cecil Rhodes.

IMAGO / Avalon.red

Nach Jahren hitziger Debatten über Statuen, Museen und die sogenannte »Cancel Culture« zeigt der Kampf um Erinnerung und Erbe keinerlei Anzeichen einer Verlangsamung. Weltweit sind Denkmäler, die einst unverrückbar schienen, gestürzt, umbenannt oder entfernt worden. In Südafrika, Simbabwe und Sambia sind Statuen des viktorianischen Imperialisten Cecil Rhodes bereits gefallen und in Großbritannien und den USA wurde der Name der Familie Sackler aus Museumsgalerien entfernt, während die Benin-Bronzen endlich zurückgegeben werden. Doch jede Veränderung ist mit heftigem Widerstand beantwortet worden – mit Vorwürfen der »Geschichtsauslöschung«, Ängsten vor einem Dammbruch und dem altbekannten Refrain, dass die Kultur unter Beschuss stehe.

Für Dan Hicks, Professor für zeitgenössische Archäologie in Oxford und Kurator am Pitt Rivers Museum, handelt es sich bei diesen Auseinandersetzungen nicht um bloße »Kulturkämpfe«, sondern um die Instrumentalisierung von Kultur selbst. Sein jüngstes Buch Every Monument Will Fall verfolgt die tiefen kolonialen Wurzeln von Museen, Denkmälern und Erinnerungspolitiken. Es legt offen, wie suprematistische Ideologien in die Architektur unserer kulturellen Institutionen eingebaut wurden – sogar in groteske Objekte wie einen zeremoniellen Schädelkelch, der am Worcester College der Universität Oxford aufbewahrt wird.

Im Jacobin-Interview mit Elias Feroz reflektiert Hicks über die kolonialen Ursprünge des britischen kulturellen Erbes, die Politik des Naming und Un-naming und darüber, warum die Demontage dieser geerbten Machtstrukturen nicht als »Zerstörung« verstanden werden sollte.

In den letzten Jahren – etwa ausgelöst durch Black Lives Matter – hat es eine starke Fokussierung auf Denkmäler gegeben. Warum, glaubst Du, sind Denkmäler in diesen Debatten so zentral geworden?

Du hast sicher recht, dass uns oft gesagt wird, Kampagnen zum Sturz von Statuen seien ein neues Phänomen. Tatsächlich aber ist Fallismus eine politische Bewegung mit einer langen Geschichte. So wird 2027 den 100. Jahrestag des Neill-Statue-Satyagraha-Protests in Chennai markieren, der zur Entfernung einer Statue des Offiziers der Britischen Ostindien-Kompanie James Neill führte – des sogenannten »Schlächters von Allahabad«, der die Kampagne brutaler Vergeltungsmaßnahmen nach dem Indischen Aufstand von 1857 beaufsichtigte.

Zahlreiche von Indigenen und Afrikanerinnen geführte Bewegungen haben Statuen imperialer Helden, Kolonisatoren und Versklaver entfernt – von Algerien und Australien bis in die Karibik – und viele weitere Statuen sind noch immer Gegenstand von Forderungen nach Entfernung. In den Vereinigten Staaten ist das Niederreißen konföderierter Statuen seit den 1960er Jahren ein zentraler Teil der Bürgerrechtsbewegung, und die wegweisende Veröffentlichung des All Monuments Must Fall Syllabus im Jahr 2017 brachte diese Bewegung auf eine neue Ebene.

Unterdessen befindet sich an meiner eigenen Institution, der Universität Oxford, die Kampagne zur Entfernung der Statue von Cecil Rhodes bereits in ihrem zweiten Jahrzehnt. Statuen von Rhodes sind zuvor schon gestürzt: in Lusaka 1964, in Bulawayo 1980 und in Kapstadt 2015. Doch gerade der nicht gestürzte Status der Rhodes-Statue in Oxford – trotz der demokratischen Entscheidung des Leitungsgremiums des Colleges, sie 2020 zu entfernen, die im Jahr 2021 bestätigt wurde – machte es sowohl möglich als auch notwendig, dieses Buch zu schreiben.

Was all diese verschiedenen Fallismus-Bewegungen verbindet, ist das Beharren, dass öffentliche Kunst als Technologie oder Infrastruktur des Kolonialismus wirken kann. Es zeigt sich, dass Dinge, die ein älterer klassischer Marxismus vielleicht als »Überbau« klassifiziert hätte, Bausteine für kulturellen Suprematismus sein können. In Every Monument Will Fall zeichne ich nach, wie ein Großteil dieser globalen Infrastruktur in einem überraschend engen Zeitraum aufgebaut wurde, etwa zwischen den 1870er und 1920er Jahren.

»Restitution bedeutet nicht, die Vergangenheit rückgängig zu machen. Es geht darum, volle, 100-prozentige Transparenz über die Bestände unserer Sammlungen zu verlangen, Objekte oder menschliche Überreste auf Anfrage zurückzugeben und vor allem darum, was als Nächstes passiert.«

Bilder der Herrschaft wurden in die gebaute Umwelt eingebettet, was im Jargon einer älteren Generation marxistischer Denker als »Naturalisierung« bezeichnet wurde – so, als seien diese Bilder normal, ewig und unbesiegbar, als würden sie eine unerschütterliche Realität darstellen. Mit anderen Worten: um Bilder von Kolonisatoren und Versklavern dauerhaft zu machen. Das Buch bietet einen Namen für diese latente, proto-faschistische, weltweite Bewegung von Kunst, Kultur und Ideen an: »militaristischer Realismus«.

Akte der Benennung spielen im Buch eine wichtige Rolle: Wer oder was benannt und erwähnt wird und wer oder was nicht, sowie das radikale Potenzial von Re-naming oder Un-naming. Das Abtragen oder Umgestalten dieser Infrastruktur kann eine Neuerfindung des kollektiven Gedächtnisses ermöglichen und Raum für andere Formen des Erinnerns eröffnen, für die Erinnerung anderer Menschen. Wenn der Begriff der »Erinnerungskultur« von den Vermächtnissen des Faschismus auf die weiteren kulturellen Vermächtnisse des extraktivistischen Kolonialismus und des rassistischen Kapitalismus ausgeweitet wird, beginnen neue Formen der Monumentalität zu entstehen – Hand in Hand mit neuen Akten des Erinnerns und der Vorstellungskraft.

Dieses Buch ist selbst teilweise ein Akt des Erinnerns, ein kleines Gegen-Denkmal angesichts kolonialer Vermächtnisse in den Museen, an den Universitäten und auf den Straßen. Diese Vermächtnisse sind keinesfalls abgeschlossen. An manchen Orten werden sie direkt vor unseren Augen wieder aktiviert.

Du beschreibst Museen und Disziplinen wie die Archäologie als Instrumente kolonialer Herrschaft – sogar als Waffen. In den letzten Jahren ist Restitution in den Mainstream-Diskurs eingetreten. Aber ist diese Veränderung über symbolische Gesten hinausgegangen?

Every Monument Will Fall untersucht die Gemeinsamkeiten und Verbindungen zwischen drei langjährigen, von Indigenen und Afrikanern geführten Basisbewegungen: Restitution gestohlener Kunstwerke und Artefakte, Fallismus bei Statuen und die Dekolonisierung akademischer Disziplinen. Ob der Fokus auf Objekten in den Vitrinen der Museen liegt, auf Denkmälern auf den Straßen oder auf Büchern in den Regalen der Universitätsbibliothek – diese parallelen Bemühungen beschäftigen sich damit, koloniales Erbe zurückzugeben, abzubauen und abzulegen.

Zum Teil geht es bei Denkmälern, Museen und akademischen Fächern um Repräsentation. Aber sie sind auch langlebige Technologien. Ich meine, sie zeichnen nicht nur einen flüchtigen Entwurf; sie lassen ein Bild entstehen und fortbestehen. Und genauso wie das Nachbild einer Explosion noch auf deiner Netzhaut aufleuchten kann, können die visuellen Regime von Kunst und Kultur genutzt werden, um Enteignung, Verschuldung oder Vorurteile aufrechtzuerhalten.

Es ist großartig, diese neueste Phase in der langen Geschichte der Restitution mitzuerleben. In meinem Buch The Brutish Museums habe ich vorausgesagt, dass die 2020er Jahre ein »Jahrzehnt der Rückgaben« sein würden, und heute, mitten in diesem Zeitraum, klingt das immer noch nach einer treffenden Beschreibung. Aber Rückgaben können auf leere Gesten reduziert werden oder auf Geopolitik und Soft-Diplomatie à la Macron, sofern sie nicht in die größere politische Aufgabe eingebettet sind, diese stillschweigenden, impliziten, überlieferten Infrastrukturen des Rassismus abzubauen.

Restitution bedeutet nicht, die Vergangenheit rückgängig zu machen. Es geht darum, volle, 100-prozentige Transparenz über die Bestände unserer Sammlungen zu verlangen, Objekte oder menschliche Überreste auf Anfrage zurückzugeben und vor allem darum, was als Nächstes passiert. Museen waren nur einer von mehreren zivilgesellschaftlichen Bereichen, in denen Kunst und Kultur als Waffen eingesetzt wurden. Deshalb argumentiere ich in Every Monument Will Fall, dass »es um mehr gehen muss, als nur die Benin-Bronzen zurückzugeben«.

Es gibt immer noch Millionen Museumsobjekte und wer weiß wie viele Tausende Schädel und menschliche Körperteile, die nicht einmal in einer öffentlichen Datenbank erfasst sind. Hunderte unvollendete Kampagnen zur Entfernung rassistischer Statuen. Museumsbesucher, Nachkommengemeinschaften und Stakeholder aller Art fordern Auskunft darüber, was in den Museumsdepots lagert. Bürgerinnen verlangen eine Erinnerungskultur, die auf der Höhe ihrer Zeit ist. Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Aber in meinem ganzen Leben habe ich noch keinen derart tiefgreifenden Wandel im öffentlichen historischen Bewusstsein erlebt. Der Rassismus, die koloniale Gewalt und die Enteignung des späteren 19. und frühen 20. Jahrhunderts werden darin sichtbar.

Every Monument Will Fall erzählt die groteske Geschichte eines menschlichen Schädels, der zu einem Trinkgefäß gemacht wurde. Das wirft eine weitreichende ethische Frage auf: Wenn wir über Menschenrechte sprechen, beziehen wir uns normalerweise auf die Rechte und die Würde der Lebenden. Aber verdienen nicht auch die Toten Würde?

Hier wirken zwei sehr unterschiedliche Sichtbarkeitsregime. Zwei verschiedene Arten von Monumentalität. Das Buch zeichnet nach, wie sie sich in Echtzeit entfaltet haben. Auf der einen Seite stehen die toten weißen Männer, deren Erinnerung für die Nachwelt mit einer Bronze- oder Marmorfigur auf einem Sockel oder mit dem Namen über der Tür bewahrt wird. Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die nicht nur vergessen, sondern deren Existenz aktiv verkleinert, zum Schweigen gebracht, vergessen gemacht, ausgelöscht und sogar entmenschlicht wurde. Das Buch rekonstruiert die bisher nicht erzählte Geschichte, wie der Schädel einer Frau zu einer Art Kelch gemacht wurde und schließlich bei formalen Abendessen an einem Oxforder College zum Trinken verwendet wurde. Als er so stark abgenutzt war, dass er zu lecken begann, nutzte man ihn, um darin Pralinen zu reichen – und das bis 2015.

Jahrelang war dies eine Art offenes Geheimnis an der Universität. Viele finden das schockierend und verstörend, ich eingeschlossen. Man erzählt sich, dass sie eine versklavte Frau aus der Karibik war, und das Buch untersucht, was über ihr Leben festgestellt werden kann und was nicht. Sicher ist, dass ihr Andenken nicht mit einer Statue geehrt wurde. Stattdessen wurde ihr anonymisierter Körper posthum missbraucht. Tatsächlich nahm ein Teil der Gewalt die Form der Zerstörung ihrer Identität an, und diese Gewalt zeigt sich auch in unzähligen anderen menschlichen Überresten, die noch in Museumssammlungen aufbewahrt werden. Indem es diesen langsam rekonstruiert, erzählt das Buch eine Geschichte der Humanisierung und Dehumanisierung, der Subjektivierung und Objektivierung.

Ziel ist es nicht nur zu betrachten, wie sich eine solch absurde Tradition etablieren konnte (in diesem Fall noch 1946), sondern zu fragen, wie sie fortbestehen konnte. Die Wege, auf denen ein solches Fortbestehen geschieht, nehmen viele verschiedene Formen an. Ich spreche über die alte althusserianische Idee der »Interpellation«, um die Rolle persönlicher Beteiligung und Ausbildung zu verstehen. Der Schädel wurde dem College von dem faschistischen Eugeniker und Enkel des Mannes gespendet, der das Museum gegründet hat, in dem ich arbeite, General Pitt-Rivers. Der Großvater hatte den Schädel 1884 bei Sotheby’s gekauft. Auch 2025 ist der Kauf und Verkauf menschlicher Überreste im Vereinigten Königreich noch vollständig legal. Der Verkauf von Elfenbein wurde verboten, aber wäre der Soldat-Anthropologe Pitt-Rivers heute noch am Leben, könnte er bei einer Auktion weiterhin einen menschlichen Schädel erwerben.

»Der Schädel einer Frau wurde zu einer Art Kelch gemacht und schließlich bei formalen Abendessen an einem Oxforder College zum Trinken verwendet.«

Im März 2025 veröffentlichte die britische All-Party Parliamentary Group for Afrikan Reparations and Restitution, geleitet von der Labour-Abgeordneten Bell Ribeiro-Addy, einen wichtigen Bericht über menschliche Überreste mit dem Titel Laying Ancestors to Rest. Der Bericht enthält vierzehn Empfehlungen, darunter ein Verbot sowohl des Verkaufs als auch des öffentlichen Ausstellens von menschlichen Überresten.

Every Monument Will Fall blickt von der Geschichte des Schädel-Kelchs hinaus auf Fragen von Politik und Praxis, vom Verbot des Verkaufs menschlicher Schädel bis hin zum ethischen, kulturellen und historischen Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Universitäten. Wie nah bist du in diesem Moment an einer dieser Pappkisten in irgendeinem Museumsdepot, die menschliche Überreste enthalten? Gibt es irgendwo Nachkommen, die sich wünschen würden, dass die Überreste zurückgegeben werden? Und wenn die Gewalt so groß war, dass jegliches Wissen darüber zerstört wurde, wer diese Person war, wo sie lebte oder wie ihr Name lautete, was sollte jetzt mit den Schädeln, Knochen, Haaren, der Haut, den Zähnen oder Nägeln geschehen? Und was ist mit Objekten oder Kunstwerken, die aufgrund ihres heiligen oder königlichen Status als Vorfahren gelten? Auch das sind Fragen der Monumentalität. Untätigkeit kann eine Variante sein, in der Brutalität fortbesteht.

Ich habe beim Umgang mit diesen Fragen viel aus der Arbeit von Sylvia Wynter gelernt – insbesondere aus ihrem Essay No Humans Involved von 1994. Wynter erklärt, wie dieser Ausdruck in den 1990er Jahren vom Los Angeles Police Department als Code verwendet wurde, um Vorfälle zu kennzeichnen, bei denen keine weißen Menschen beteiligt waren. Ihr Konzept des »liberalen Monohumanismus« bietet einen entscheidenden Rahmen für die Frage, wer als »menschlich« galt, und hinterfragt, was dies über die Kategorie »Mensch« und »das Menschliche« selbst aussagt.

Diese Fragen sind nie dringlicher gewesen für das Bündel historisch zusammenhängender Disziplinen, die das Buch behandelt. Ich spreche von den »Vier As«: Anthropology, Archaeology, Art, Architecture. Und ebenso für das, was ich die »Vier Ms« nenne: Museums, Memory, Monumentality, Militarism.

Du schreibst darüber, wie Denkmäler, Museen und Universitäten instrumentalisiert wurden, um dieses Bild des »militaristischen Realismus« zu erzeugen. Welche Parallelen würdest Du zum sogenannten »Kulturkampf« von heute ziehen?

Die Geschichte der Vereinnahmung der Naturgeschichte, um Ungleichheit zu naturalisieren – durch die falsche »Rassenwissenschaft« der 1850er Jahre – ist wohlbekannt. Weniger Beachtung hat die Vereinnahmung der Kulturgeschichte in den folgenden Jahrzehnten für denselben Zweck gefunden. Der doppelte Nexus von Disziplinen und Institutionen – die »Vier As« und die »Vier Ms« – ist der Ort, an dem dieser kulturelle Rassismus diszipliniert und institutionalisiert wurde. Bilder von »Barbarei« und »Wildheit« in den Museen gingen Hand in Hand mit Gegenüberstellungen von »primitiven« Kulturen und »Zivilisation« in den Lehrbüchern sowie mit Figuren von Stärke und Sieg in der öffentlichen Kunst. Die Vermächtnisse dieser Geschichte sind uns auf so viele Weisen noch immer gegenwärtig.

Manchmal lag in diesem Nexus eine implizite Rechtfertigung für koloniale Kriege. So beschreibt das Buch zum Beispiel den britischen Einsatz von Maschinengewehren in der Schlacht von Ulundi 1879 durch die Linse anthropologischer Theorien des technologischen Suprematismus. Dabei hinterfrage ich die Rückkehr der Idee des »Nichtmenschlichen« in den Material-Culture-Studies und der Akteur-Netzwerk-Theorie. Die Figur des »Nichtmenschlichen« hat eine Geschichte, die oft problematisch ist. Zu anderen Zeiten ging es darum, Erinnerungskulturen umzuprogrammieren, etwa bei den Denkmälern für die sogenannte »Lost Cause«, die nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg errichtet wurden – als sei dieser Krieg nicht vorbei. Um den Sieg ungeteilt zu bewahren.

Ich beschreibe, wie Frederick Douglass bereits 1870 vorhergesagt hatte, dass solche Denkmäler die verzerrte Erinnerung an die Lost Cause aufrechterhalten und so »den Konflikt wiederbeleben, indem sie Hass nähren«. Neunzig Jahre später, als Frantz Fanon den Kolonialismus als »eine Welt der Statuen« beschrieb, wies er auf eine gewalttätige imperialistische Ideologie hin, die auf eine festgefügte, unveränderliche Erinnerungskultur insistiert. Heute sieht man diesen Impuls nicht nur bei Menschen, die sich gegen die Entfernung einer rassistischen Statue wehren, sondern auch bei Widerständen gegen die Rückgabe gestohlener Objekte oder sogar gegen die bloße Aktualisierung eines Universitätslehrplans – als ob Kultur und Wissen eingefroren, erstarrt, in Bernstein konserviert werden sollten.

Es gibt natürlich starke Parallelen zu Amerika unter Donald Trumps zweiter Amtszeit, von den Statuen, die für den neuen National Garden of American Heroes in Auftrag gegeben wurden, bis hin zu der neuen Welle von Angriffen auf Universitäten und Museen. Ich stelle im Buch heraus, dass Menschen, wenn sie von einem »Kulturkrieg« sprechen, in Wirklichkeit den alten Krieg gegen die Kultur beschreiben, die Instrumentalisierung von Kultur, einen Angriff auf Institutionen wie Museen und Universitäten – einen Angriff, der sich immer als Verteidigung darstellte. Diese militärische Strategie hat eine Geschichte. Every Monument Will Fall bietet eine Geschichte des Kulturkriegs der Rechten.

Du definierst »militaristischen Realismus« als die koloniale Bedingung, in der es unmöglich wird, sich die Welt anders vorzustellen. Könntest Du genauer erläutern, wie diese imaginative Einengung funktioniert?

Wir alle erkennen die Ästhetik, wenn wir sie sehen: ein geplündertes Objekt in einer Vitrine, oder eine Statue, die einen General auf seinem Pferd verherrlicht, oder kolonialistische Disziplinen wie Archäologie und Anthropologie mit ihrem universalistischen Anspruch, die gesamte menschliche Vergangenheit und jede Kulturform auf dem Planeten zu beschreiben.

Ich biete den Begriff »militaristischer Realismus« für diese künstlerische, intellektuelle und suprematistische Bewegung an, für die wir derzeit keinen Namen haben. Es ist »Realismus« im Sinne des verstorbenen, großen Mark Fisher, als er über »kapitalistischen Realismus« schrieb – die Art, wie dies scheint, als sei es die einzig mögliche Wirklichkeit, als könnte es niemals anders sein. Und es ist »militaristisch«, weil es in der Naturalisierung der Ultragewalt der unvollendeten Kriege des korporativen Kolonialismus verankert ist.

»Jede Gemeinschaft oder Gesellschaft muss ein demokratisches Recht haben, ihre eigene Erinnerungskultur zu gestalten und umzugestalten, zu entscheiden, wessen sie gedenken möchte, Erinnerungskultur zu erneuern und Formen von Monumentalität neu zu denken.«

Militaristischer Realismus gleicht einer PsyOp. Er verwirrt den Betrachter auf zwei Arten. Zuerst verleitet er dazu, dass man die Statue mit der Person verwechselt. Eine Gemeinschaft beginnt darüber zu diskutieren, die Statuen von Edward Colston in Bristol oder Cecil Rhodes in Oxford zu entfernen, und ehe man sich versieht, hat jemand eine Art Bilanz aufgestellt, die die Vor- und Nachteile dieser historischen Person abwägt. Es sei kompliziert, sagen sie. Verstrickt. Beurteile die Vergangenheit nicht nach den Werten der Gegenwart. Cancel ihn nicht. »Retain and explain«, lautet der Slogan. Ehe man sich versieht, hängt jemand ein kleines Schild auf, das die Vor- und Nachteile der Handlungen, Errungenschaften, Wohltätigkeitsspenden und des allgemeinen moralischen Charakters der Person katalogisiert. Aber es ging nie um die Person. Es ging immer um die Statue einer Person oder ein paar Buchstaben an einer Wand.

Und hier greift die zweite Verwirrung. Der militaristische Realismus verleitet dazu, die Erinnerung für Geschichte zu halten. Die militaristischen Realisten versuchten, ihre eigenen Erinnerungen der Zukunft aufzuzwingen – die jetzt unsere Gegenwart ist. Das Ergebnis ist, dass unsere Städte, Museen und akademischen Disziplinen unter einem eigentümlichen und extremen Fall von unfreiwilliger Erinnerung leiden. In Every Monument Will Fall argumentiere ich, dass jede Gemeinschaft oder Gesellschaft ein demokratisches Recht haben muss, ihre eigene Erinnerungskultur zu gestalten und umzugestalten, zu entscheiden, wessen sie gedenken möchte, Erinnerungskultur zu erneuern und Formen von Monumentalität neu zu denken.

Ein Beispiel, das ich gegen Ende des Buches bespreche, stammt vom London Museum Docklands. Eine Statue eines Versklavers wurde 1809 an den West India Docks errichtet, während des Krieges 1942 entfernt, 1997 wieder aufgestellt, ab dem Moment, als das Museum 2003 eröffnete, protestiert und schließlich 2020 erneut abgebaut und in den Depots untergebracht. Anstelle dieser Statue wurde ein neues Denkmal in Auftrag gegeben – eine Cowrie-Schalen-Skulptur namens »The Wake« des Künstlers Khaleb Brooks, mit Poesie von Yrsa Daley-Ward. Ein Denkmal, das den Täter ehrte, wird durch eines ersetzt, das die Überlebenden des atlantischen Sklavenhandels in Erinnerung ruft. Es ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich Erinnerungskultur verschieben, verändern und weiterentwickeln kann, bedingt durch öffentliche Forderungen.

Militaristischer Realismus besteht nicht nur als physische Infrastruktur, sondern auch als Vorstellung, dass sich niemals etwas ändern könne. Die Welt verändert sich natürlich ständig, Dinge werden erhalten, abgerissen oder wiederaufgebaut. Es geht also darum, wie eine Gesellschaft Entscheidungen darüber trifft, was sie aus der Vergangenheit behält und was nicht. Und wer diese Entscheidungen trifft. Deshalb heißt das Buch nicht »All the Monuments Must Fall«, sondern »Every Monument Will Fall«. Ohne aktive Pflege werden Dinge verfallen und zerfallen. Das Buch fordert daher eine Demokratisierung der Prozesse, durch die entschieden wird, was bewahrt und was losgelassen wird. Es plädiert dafür, zu dem zurückzukehren, was früher »werteorientiertes« Kulturerbe-Management genannt wurde, und einen Kultursektor wieder aufzubauen, der sich mehr um Menschen als um Dinge kümmert.

Du zitierst die Arbeit von Simon Harrison, die zeigt, dass die Verstümmelung von feindlichen Körpern – das Abtrennen von Ohren, Zähnen, Knochen – speziell in kolonialen Kriegen vorkam und nicht in europäischen Konflikten wie dem Krimkrieg oder den Napoleonischen Kriegen. Was verrät das über die rassistische Logik, die die koloniale Kriegsführung untermauerte, und wie prägen solche Praktiken noch heute die Art und Weise, wie wir imperiale Gewalt erinnern?

Weltweit vollzieht sich in den letzten zehn Jahren ein radikaler Wandel im kollektiven historischen Bewusstsein. Langjährige Versuche, die Erinnerung an den rassistischen und kolonialen Terror des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu unterdrücken, beginnen zu scheitern – und damit auch die visuellen Regime der Denkmäler, die immer dieselbe ausgelaugte, weißgewaschene Geschichte erzählten. Die Rückgabe der Benin-Bronzen ist ein Beispiel für die Folgen dieses Scheiterns. Menschen ziehen Verbindungen zwischen Kunst, Kultur, Ideologien, die den imperialen Massenmord rechtfertigen sollten, und dem Rassismus in der heutigen Welt.

Im Buch spreche ich nicht nur über geplünderte Artefakte, sondern auch über den Körper-Horror, der mit dem Abnehmen von Schädeln vom Schlachtfeld durch britische Offiziere verbunden war. Dazu gehört die Geschichte von Feldmarschall Lord Grenfell, der zum Schlachtfeld von Ulundi zurückkehrte, den Schädel des Xhosa-Chiefs Sandile ausgrub und als Andenken auf dem Kaminsims seines Herrenhauses in Gloucestershire aufbewahrte. Das ist derselbe Mann, nach dem der Grenfell Tower benannt wurde.

Die Gewalt setzt sich auf so viele komplexe Weisen fort. Ich spreche über die Debatten in Großbritannien über institutionellen Rassismus nach dem Bericht zur Stephen-Lawrence-Untersuchung von 1999 und versuche, die Verbindungen zu euro-amerikanischen Ideologien der »Extermination« im 19. Jahrhundert aufzuzeigen. Diese Ideologien stellten Tötungen, Massaker und Militärexpeditionen dar, als seien sie unvermeidbar gewesen. Es ist tatsächlich der Beginn der Ideen des Manifest Destiny, und Anthropologie und Museen spielten dabei eine Schlüsselrolle.

Vor dreißig Jahren sprachen Akademikerinnen und Akademiker noch über »postkoloniale Studien«. Heute reicht es, eine Zeitung aufzuschlagen oder durch die sozialen Medien zu doomscrollen, um zu sehen, dass koloniale Kriege und Gewalt von Siedlern fortbestehen, und dass die alte Behauptung, Tötungen seien bloße »Todesfälle«, immer noch in den Schlagzeilen auftaucht. Wieder spielen Namen und Benennungen eine wichtige Rolle. Neue Wortschätze entstehen, um diese andauernden, sich entwickelnden kolonialen Formen zu diskutieren: Extraktivismus, Carcerality, Rassischer Kapitalismus und so weiter. Wir brauchen diese neuen Wortschätze. In The Brutish Museums schlug ich »Nekrografie« vor. In Every Monument Will Fall biete ich »militaristischen Realismus« an, und ich experimentiere auch mit Schreibweisen, um nicht endlos die Namen der toten weißen Soldaten, Kuratoren oder Sammler zu wiederholen und sie damit immer wieder ins Zentrum zu rücken. Wenn man hört, wie über Kolonialismus gesprochen wird, liegt der Fokus oft nur auf dem Siedlerkolonialismus; aber Hand in Hand mit dem Landraub ging immer auch der Raub von Leben, lebenden Körpern, toten Körpern, Kunst, Kultur und Wissen.

»Die Kulturkämpfer der harten Rechten werden immer versuchen, progressiven Wandel in Museen, bei Denkmälern und an Universitäten zu verhindern – weil sie erkennen, wie wichtig Kunst, Kultur und Erinnerung für die Gesellschaft sind.«

Letztlich ist die Botschaft des Buches eine der Hoffnung. Es kann lange dauern, bis diese Strukturen und Infrastrukturen abgebaut werden. Gestohlene Objekte zurückzugeben, rassistische Statuen zu entfernen oder akademische Disziplinen zu verändern, geschieht nicht über Nacht. Militaristischer Realismus wird nicht an einem Tag demontiert. Das sind generationenübergreifende Projekte. Es kann Jahrzehnte dauern, bis Rückgaben erfolgen oder bis eine bestimmte Statue fällt. Denn natürlich ist es schwer zu erkennen, wann Kunst und Kultur für bestimmte Menschen verletzend sind. Es braucht Zeit, etwas zu lösen, das tief in eine erfundene Tradition oder eine Galerie eingebettet ist.

Als die Statue des Versklavers Colston 2020 in Bristol entfernt wurde, hatte die Kampagne über ein Vierteljahrhundert zuvor begonnen. Dasselbe gilt für die Mohrenstraße in Berlin, die nach einem dreißigjährigen Kampf schließlich im August 2025 in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt wurde. Ein Name, den viele als entmenschlichend und rassistisch empfanden, wurde so zu einem Denkmal für einen schwarzen Philosophen des 18. Jahrhunderts. Letztlich, sobald eine alte, veraltete Form von Erinnerungskultur und Monumentalität zu bröckeln beginnt, kommt Veränderung. Man darf einfach nicht aufgeben.

Du beschreibst, dass Monumentalität nicht nur physisch ist, sondern auch sprachliche Formen annimmt: in Euphemismen, passiven Konstruktionen und der selektiven Verwendung von Namen. Welche Rolle spielt Sprache dabei, koloniale Erinnerungsstrukturen aufrechtzuerhalten oder ihnen zu widerstehen?

Pronomen sind natürlich sehr wichtig. Denk zum Beispiel daran, wie »er« und »es« vermischt werden, wenn über eine Statue eines Kolonisators gesprochen wird. Die erste Person kann den Sprecher ins Zentrum rücken, und wenn sie zum »Wir« wird, muss die Frage sein, wer dabei eingeschlossen oder ausgeschlossen ist, wer eingeladen ist, wenn über »unser Erbe« gesprochen wird. Museen oder akademische Disziplinen, die scheinbar die ganze Welt umfassen, können dazu dienen, bestimmte Menschen draußen zu halten.

Vor diesem Hintergrund verwendet das Buch am Ende recht häufig die zweite Person, in der vokativen oder invokativen Form. Das »Du« bezieht sich auf viele Menschen, die an der Entstehung des Buches beteiligt waren, darunter meine verstorbene Freundin und Kollegin Mary Beaudry von der Boston University, der das Buch gewidmet ist. Aber ich hoffe, dass das »Du« auch dazu beiträgt, meine eigene Stimme zu dezentrieren, und dass es am Ende des Buches vielleicht sogar die Leserinnen und Leser einschließt.

Auf Stil, Ton und Schreibweisen über Kolonialismus und Rassismus zu achten, ist mir sehr wichtig. Ebenso die Zitierpraktiken; Zitation ist schließlich auch eine Form des Erinnerns. Die »critical fabulation« von Saidiya Hartman war für viele, mich eingeschlossen, eine große Inspiration, um die Grenzen dieser Frage zu erweitern. Ich habe auch von der Arbeitsweise des Künstlers Isaac Julien gelernt, mit dem ich an seinem letzten Projekt zusammengearbeitet habe. Isaac setzt Narrative ein, um die Bruchlinien zwischen Wahrheit und Fiktion sichtbar zu machen. Wahrscheinlich stecken mehr Maggie Nelson, Ursula K. Le Guin und Roland Barthes in diesem Buch, als man vermuten würde, und das Argument stützt sich stark auf Stuart Hall, Christina Sharpe, Aimé Césaire, Michel-Rolph Trouillot und vor allem Sylvia Wynter, wie ich bereits erwähnt habe. Lesen und Inspiration jenseits der Festungen kolonial geprägter Disziplinen zu suchen, muss Teil des antikolonialen Vorgehens sein.

Die Kulturkämpfer der harten Rechten werden immer versuchen, andere dazu zu bringen, progressiven Wandel in Museen, bei Denkmälern und an Universitäten zu verhindern – weil sie erkennen, wie wichtig Kunst, Kultur und Erinnerung für die Gesellschaft sind. Auch die Linke muss diese Wertschätzung bewahren. Fordert das demokratische Recht, Erinnerungskulturen zu gestalten: wie, was und wen eine Gesellschaft oder Gemeinschaft zu erinnern entscheidet. Nur so können wir gemeinsam den Infinity War gegen die Kultur beenden.

Dan Hicks ist Professor für zeitgenössische Archäologie in Oxford und Kurator am Pitt Rivers Museum. Zu seinen Büchern gehören The Brutish Museums: The Benin Bronzes, Colonial Violence and Cultural Restitution (Pluto Press 2020) und Every Monument Will Fall: A Story of Remembering and Forgetting (Hutchinson Heinemann 2025).