30. März 2023
Der »Green Deal Industrial Plan« behauptet, die europäische Wirtschaft klimagerecht umzubauen. Tatsächlich werden große Unternehmen mit öffentlichen Geldern überhäuft.
Der Green Deal Industrial Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist eine Antwort auf den milliardenschwerden Inflation Reduction Act von Joe Biden.
IMAGO / Chris Emil JanßenEin Mann auf dem Mond-Moment« – mit diesen pompösen Worten kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, im Jahr 2019 ihre Pläne an, Europa zum ersten CO2-neutralen Kontinent werden zu lassen. Doch ihr »Green Deal« entpuppte sich vielmehr als ein unausgegorener »Technokraten in Brüssel-Moment«. Der Green Deal versprach kaum neue Gelder und wurde stark auf den Privat- und Finanzsektor ausgerichtet, wobei öffentliche Mittel bloß dazu dienen sollten, Projekte für Investoren rentabel zu machen. Mit einem winzigen Budget, das die Auswirkungen der Dekarbonisierung in den von fossilen Brennstoffen abhängigen Regionen ausgleichen sollte, war es zudem nie realistisch, dass der Plan einen sozial gerechten grünen Wandel einleiten würde.
Jetzt, mehr als drei Jahre später, hat von der Leyen den Green Deal um eine grüne Industriestrategie, den sogenannten Green Deal Industrial Plan (GDIP), erweitert. Dieser soll Europa angeblich einen Vorsprung in einem neuen »Netto-Null-Industriezeitalter« sichern, indem Investitionen in die Produktion umweltfreundlicher, »sauberer« Technologien des Kontinents maximiert werden. Falls bis dato irgendjemand noch Hoffnungen gehegt hat, dass die Europäische Union eine substanzielle grüne Industriepolitik entwickeln würde, so hat dieser Plan – der bezeichnenderweise kürzlich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos angekündigt wurde – diese endgültig begraben.
Der EU-Plan ist eine direkte Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der Vereinigten Staaten, einen Gesetzesentwurf, der 370 Milliarden US-Dollar an Bundesinvestitionen zum Aufbau der amerikanischen Wirtschaft im Bereich der sauberen Energien vorsieht. Der Großteil des Geldes wird in Form von Steuergutschriften für Unternehmen bereitgestellt, Zuschüsse und Darlehen sind auch vorgesehen. Die EU-Mitgliedstaaten, die bereits über Chinas Vorsprung in wichtigen Teilen der für eine CO2-arme Wirtschaft entscheidenden Industriesektoren besorgt sind, sehen im IRA eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Letztere ärgert sich nicht über den IRA, sondern wird auch auf die andere Seite des Atlantiks gelockt, um den hohen Energiepreisen in Europa zu entgehen und von US-Steuergutschriften zu profitieren.
Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme in Europa – von unterbrochenen Lieferketten nach der Pandemie bis hin zur Energiekrise, die mit dem Krieg in der Ukraine einherging – hat die US-Initiative Brüssel zum Handeln gezwungen. Die EU-Behörden bereiten nun die Voraussetzungen für eine massive Einführung von Subventionen vor, um die Investitionen der europäischen Clean-Tech-Industrie zu steigern, die Industrie zu dekarbonisieren und »grünes Wachstum« zu beschleunigen.
»Der Green Deal Industrial Plan ist ein technokratisch von oben verordnetes Maßnahmenpaket, das Konzerne mit öffentlichen Geldern überhäuft.«
Zu diesem Zweck zielt der neue Vorschlag der Europäischen Kommission, der »Net-Zero Industry Act« – einer der Hauptpfeiler des GDIP – darauf ab, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen, die derzeit den Fortschritt großer Clean-Tech-Projekte bremst. Zu den anderen Pfeilern des Vorschlags gehören ein schnellerer Zugang zu Finanzmitteln, die Verbesserung von Weiterbildungsangeboten (einschließlich eines Vorschlags für »Net-Zero Industry Academies«) und freier Handel, um einerseits neue Exportmärkte für Europas grüne Industrie zu erschließen und andererseits den Zugang zu Rohstoffen zu sichern.
Im Moment gibt es dafür aber keine neuen EU-Gelder. Daher setzt die Kommission darauf, dass die einzelnen Mitgliedstaaten leichter und schneller staatliche Beihilfen zur Finanzierung des GDIP gewähren können. Normalerweise sind solche staatlichen Beihilfen – also alle staatlichen Mittel, die in Form von Zuschüssen, Steuererleichterungen, Garantien oder staatlichen Beteiligungen an Unternehmen fließen – durch die Wettbewerbsregeln des EU-Binnenmarktes begrenzt.
Darüber hinaus können Regierungen auf bereits bestehende Investitionskanäle (wie InvestEU, REPowerEU und die Innovationsfonds) zurückgreifen. Vorschläge für einen völlig neuen Fonds scheitern an den Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem bereits überlasteten EU-Haushalt. Die Chefs der europäischen Banken und Institutionen drängen zudem auf die Schaffung einer »Kapitalmarktunion«, um europäischen Unternehmen über einen europäischen Anleihemarkt Zugang zu mehr privaten Finanzmitteln zu verschaffen. In diesem Bereich hinkt die EU eindeutig hinter den USA her – anstelle von Anleihemärkten sind Bankkredite hier derzeit die Hauptquelle für die Kreditaufnahme von Unternehmen, während in den USA das Gegenteil der Fall ist.
Der GDIP behauptet, dass »der Netto-Null-Wettlauf gut für den Planeten und für die Wirtschaft sein kann«. In Wirklichkeit sind das schlechte Neuigkeiten für Europas Dekarbonisierungsziele. Der Plan stützt die ohnehin schon riesigen Unternehmensgewinne mit öffentlichen Geldern: viel Zuckerbrot, aber keine Peitsche. Große Unternehmen wie Iberdrola, Shell und Enel, die bereits von staatlichen Rekordsubventionen für den Wasserstoffsektor profitieren, wollen weiterhin hohe Gewinne einfahren und fordern daher die Aufstockung staatlicher Beihilfen. Das Gleiche gilt für Industriezweige, die mit hohen Energiepreisen zu kämpfen haben und unter Druck stehen, rechtzeitig zu dekarbonisieren, um auf dem Weltmarkt einen Vorsprung zu gewinnen. Dazu gehören Konzerne wie der multinationale Stahlproduzent ArcelorMittal und der deutsche Chemiehersteller BASF, die – zusammen mit dem Rest des Europäischen Chemieverbands – die EU aufforderten, aus den Steuervergünstigungen des IRA zu lernen und ihnen mehr staatliche Beihilfen zu gewähren.
Kurz gesagt, anstelle einer gesellschaftlichen Debatte über soziale und ökologische Bedürfnisse, die Europas strategische industrielle Interessen bestimmen könnte, ist der GDIP technokratisch von oben verordnete Politik, die Konzerne mit öffentlichen Geldern überhäuft.
Das wohl wahrscheinlichste Ergebnis des GDIP ist ein monopolisierter Markt für erneuerbare Energien und ein beschleunigter oligopolistischer Wettlauf im Bereich der sauberen Technologien. Der Plan konzentriert sich auf Produkte wie Batterien, Solarenergie, Windkraftanlagen, Biokraftstoffe und Wasserstoff- oder Kohlenstoffabscheidungs- und Speicherungstechnologien, die ineffizient, kostspielig und im großen Maßstab unrealistisch sind, darüber hinaus schädliche soziale und ökologische Auswirkungen haben, sich aber gut für die Steigerung der Profite großer Unternehmen eignen. Und es sind die größten Unternehmen des Energiesektors, einschließlich der Produzenten fossiler Brennstoffe – die fünf größten haben im Jahr 2022 Rekordgewinne von 195 Milliarden US-Dollar erzielt –, die von den Regierungen weiterhin staatliche Beihilfen für den Ausbau des Wasserstoffmarktes und der Kohlenstoffabscheidung fordern werden, während sie ihre ohnehin schon dürftigen Zusagen für erneuerbare Energien langsam aufweichen.
Der GDIP ist kein Plan für das, was Europa für eine sozial gerechte grüne Transformation wirklich braucht – eine grüne industriepolitische Planung, die zentrale Industriesektoren für die Dekarbonisierung definiert. Stattdessen sieht er die Finanzierung desselben zentralisierten, nicht-nachhaltigen und marktorientierten Energiesystems vor, das eher den Interessen einiger weniger Konzerne als der gesellschaftlichen Mehrheit dient. Allein die Mengen an Energie und Wasser, die für den Transport und die Produktion von grünem Wasserstoff benötigt werden (und das ist nur eines von vielen Problemen), lassen diese Lösung als eindeutig unpraktikabel erscheinen.
Darüber hinaus wird Wasserstoff auch langfristig teurer sein als fossile Brennstoffe. Das heißt, dass ein ständiger Zufluss an öffentlichen Mitteln erforderlich sein wird, um dessen Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dabei sollten öffentliche Mittel nicht für den Ausbau und die Nachrüstung der Gasinfrastruktur weit über eine begrenzte Anzahl von nur schwer dekarbonisierbaren Sektoren hinaus verwendet werden, nur um die Investitionen von Großkonzernen zu garantieren.
»Sozial gerechte Maßnahmen, die der Mehrheit zugute kämen – wie umweltfreundlicher öffentlicher Verkehr und öffentlich finanzierte Mobilität – sind für den Plan irrelevant.«
Andere europäische Pläne wie die Wasserstoffstrategie 2030 oder REPowerEU legen nahe, dass Investitionen außerhalb der EU diese Unannehmlichkeiten bewältigen und die begrenzte inländische Kapazität für Wasserstoffproduktion ausgleichen können. Der GDIP kondensiert diese Agenda, den Markt für die Verbraucherinnen und Verbraucher europäischer sauberer Technologien im Gegenzug für billigen Wasserstoff in der Zukunft zu vergrößern – ungeachtet der negativen sozioökonomischen Auswirkungen vor Ort. Neben dem Wasserstoffpotenzial Afrikas ist die neue strategische Partnerschaft der EU mit der Ukraine für Biomethan, Wasserstoff und andere synthetische Gase, die Anfang Februar 2023 angekündigt wurde, ein weiteres Beispiel dieser Agenda. Trotz des zerstörerischen Krieges seit dem Einmarsch Russlands und der offensichtlichen Notwendigkeit, den lokalen (und erneuerbaren) Energiebedarf während des Wiederaufbaus der Ukraine zu decken, konzentriert sich Europa darauf, Wasserstoffimporte in die EU zu sichern.
Elektrofahrzeuge – sowie Batterien und Ladestationen – spielen ebenfalls eine zentrale Rolle im GDIP. Es überrascht somit kaum, dass sozial gerechte Maßnahmen, die der Mehrheit zugute kämen – wie umweltfreundlicher öffentlicher Verkehr und öffentlich finanzierte Mobilität – für den Plan irrelevant sind, trotz der eindeutigen positiven Auswirkungen, die sich aus einer Verlagerung von privatem auf öffentlichen Besitz ergeben.
Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge wird allerdings auch zu einer sozialen Frage. Sowohl in der EU als auch in den Vereinigten Staaten ist die Nachfrage nach Autos rückläufig. Nach Angaben des Verbands der europäischen Automobilhersteller werden die Verkaufszahlen im Jahr 2023 wahrscheinlich nicht mehr das Niveau von vor der Pandemie erreichen. Führende Automobilhersteller verpflichten sich nun, ihre Produktion ausschließlich auf Elektroautos umzustellen (Fiat ab 2027, Mercedes ab 2030 und Volkswagen ab 2033), wobei sie auf Verbraucherinnen und Verbraucher mit hohem Einkommen abzielen. Ärmere Haushalte, die auf den billigeren Gebrauchtwagenmarkt angewiesen sind, bleiben außen vor.
»Die Wende hin zu Elektroautos scheint vor allem dem unaufhaltsamen Profitstreben der Automobilindustrie zu dienen.«
Subventionen wie die IRA-Steuergutschriften für den Kauf von Elektroautos versuchen, dieses Problem zu lösen. Die diesem Ansatz ähnliche deutsche Förderung für E-Autos wurde jedoch bereits dafür kritisiert, dass ärmere Haushalte davon effektiv ausgeschlossen werden und nur Gutverdienende davon profitieren. Ein öffentliches Subventionsprogramm ist keine Garantie für eine nachhaltige Lösung – es kann ein volatiles System privaten Eigentums schaffen, das von öffentlicher Finanzierung abhängig ist. In Deutschland wurde das durch den 13,2-prozentigen Rückgang der Verkäufe von Elektrofahrzeugen deutlich, nachdem die Regierung die Subventionen halbiert hatte. Gleichzeitig führte das zu einem 3,5-prozentigen Anstieg der Verkäufe von neuen Benzinern. Die Wende hin zu Elektroautos scheint vor allem für die Wohlhabenden zu funktionieren – und dem unaufhaltsamen Profitstreben der Automobilindustrie zu dienen, die durch einen konstanten Zufluss an staatlichen Beihilfen gefördert wird.
Hinter dem Vorstoß in die Elektromobilität steht der Wunsch der Automobilindustrie, den Status quo ihres Geschäftsmodells – mit Unterstützung der öffentlichen Hand – langsam »grüner« anzustreichen. Während die Autohersteller es sich bereits leisten könnten, mit bestehender Technologie sauberere Autos zu bauen, lobbyieren sie lieber gegen Emissionsstandards – die, wie sie betonen, ihre Investitionen in E-Fahrzeuge verringern würden – und fordern mehr öffentliche Gelder.
Volkswagen hat beispielsweise im Jahr 2022 einen satten Gewinn von 22,5 Milliarden Euro erzielt, 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Dennoch hat der deutsche Autobauer Druck auf osteuropäische Regierungen ausgeübt, um staatliche Hilfen für den Bau von Gigafabriken für Elektroautos zu erhalten. Das gesamte Projekt wurde nun auf Eis gelegt, da Volkswagen die Vorteile der europäischen Antwort auf den IRA abwarten will. In der Tschechischen Republik stieß eine geplante Gigafabrik hingegen schnell auf Proteste wegen ihrer negativen Auswirkungen auf Umwelt, lokale Arbeitsplätze und Wirtschaft.
Wenn Benzinautos durch von Konzerngiganten – die wegen der niedrigeren Produktionskosten auf die osteuropäische Peripherie angewiesen sind – produzierte Elektroautos ersetzt werden, ohne die grundlegende Struktur des Individualverkehrs zu verändern, trägt das wenig zu einer sozial gerechten grünen Transformation bei. Öffentliche Gelder wären besser angelegt, wenn sie direkt in den öffentlichen Verkehr investiert würden. In vielen Ländern übersteigt der Preis für ein Zugticket heute auf einigen Strecken die Kosten für eine Autofahrt für zwei Personen. Das dreimonatige Experiment mit dem 9-Euro-Ticket im vergangenen Sommer in Deutschland hat die Attraktivität einer erschwinglichen öffentlichen Infrastruktur, insbesondere für einkommensschwächere Gruppen, ganz klar gezeigt. Die daraus resultierende Überfüllung der Züge zeigte jedoch auch, dass es an öffentlichen Investitionen zur Ausweitung von Strecken, Frequenzen und Kapazitäten mangelt.
Im GDIP fehlen jegliche Überlegungen zu den Auswirkungen des Extraktivismus, den Europas grüner Wandel voraussetzt. Es wird erwartet, dass die weltweite Nachfrage nach Lithium – einem wesentlichen Bestandteil von EV-Batterien – bis 2040 um das Vierzigfache steigen wird. Der Wettlauf um die Sicherung von Rohstoffen wie Lithium birgt das Risiko schwerer Umweltschäden, Landraub, Erschöpfung der Wasserressourcen, wachsender Ungleichheit und höherer Emissionen. Der »Critical Raw Materials Act« – ein Teil des GDIP – setzt Ziele zur Steigerung inländischer Bergbauprojekte. Angesichts des öffentlichen Widerstands (der im Gesetzesentwurf ironischerweise eingeräumt wird) verlässt sich der Plan jedoch auf die Sicherung der Rohstoffversorgung außerhalb der EU und verlagert die ökologischen und sozialen Kosten von Europas »grünem Wachstum« in den Globalen Süden.
Der GDIP ist keine demokratische Neugestaltung der Industriepolitik, die in der Lage wäre, gesellschaftliche Bedürfnisse wie hochwertige Arbeitsplätze, öffentlichen Transport und Dienstleistungen sowie den Zugang zu bezahlbaren erneuerbaren Energien zu erfüllen. Im Kern geht es darum, das Risiko von Investitionen großer privater Unternehmen zu verringern und privates Kapital für die Dekarbonisierung zu mobilisieren.
Zweifel an der Fähigkeit der Kommission, Milliardenbeträge zu mobilisieren, wurden bereits 2015 vom Europäischen Rechnungshof im Zusammenhang mit dem 315-Milliarden-Euro-Juncker-Plan der Kommission laut. Der Rechnungshof betonte, dass die auf öffentlichen Garantien beruhenden Ambitionen der EU wahrscheinlich nicht als »Hoffnungen« darstellen. Das Nachfolgeprogramm InvestEU, das zur Finanzierung des Green Deal und des GDIP beitragen soll, zeigt bereits jetzt Anzeichen einer fragwürdigen Inanspruchnahme. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Daniela Gabor hat Zweifel daran geäußert, ob das sogenannte De-Risking in der Lage ist, die Dekarbonisierung rechtzeitig und in der erforderlichen Größenordnung zu erreichen.
Der De-Risking-Ansatz bedeutet, dass die Finanzierung nicht auf der Grundlage einer gesellschaftlichen Debatte darüber erfolgt, welche Art von Wirtschaft und Industrie für einen wirklich gerechten Wandel benötigt wird, sondern danach, was die höchste und schnellste Rendite abwirft.
Es ist nicht verwunderlich, dass Aktionäre, die Angst vor niedrigeren kurzfristigen Gewinnen haben – was an sich schon schädlich für gesunde Industrien ist – staatliche Zuwendungen für die Entwicklung sauberer Technologien fordern. Öffentliche Gelder sollten jedoch nachhaltigen, effektiven und sozial gerechten Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien zugutekommen, die geduldiges Kapital benötigen und tatsächlich zu Vorzugsbedingungen finanziert werden müssen. Der GDIP schweigt sich jedoch über die Konditionalität aus, die dazu beitragen würde, Trittbrettfahrer auszuschalten und zu verhindern, dass »grüne« staatliche Beihilfen an umweltverschmutzende Unternehmen gehen, die sich bereits selbst finanzieren können oder leicht Zugang zu privaten Finanzmitteln haben.
So erhielt beispielsweise der Vorstandsvorsitzende von Iberdrola, José Galán, im Jahr 2021 ein Gehalt von 13,2 Millionen Euro (im selben Jahr leitete der spanische Oberste Gerichtshof eine Untersuchung über seine Verwicklung in mutmaßliche Fälle von Bestechung, Verletzung der Privatsphäre und Betrug ein). Galáns Gehalt war damit 171 Mal so hoch wie das Durchschnittsgehalt der Iberdrola-Beschäftigten, das um 1,3 Prozent sank. Jetzt, im Jahr 2023, erwartet Iberdrola einen Anstieg des Nettogewinns um 8 bis 10 Prozent und plant weiterhin hohe Dividenden auszuschütten.
Die Europäische Investitionsbank hat dem Unternehmen in diesem Jahr dennoch ein Darlehen zu Vorzugsbedingungen in Höhe von 150 Millionen Euro für erneuerbare Energieprojekte in Italien zugestanden, nachdem 2021 mindestens 650 Millionen Euro und 2022 weitere 550 Millionen Euro an den Konzern geflossen sind. Unternehmen wie Iberdrola, die mehr staatliche Beihilfen fordern und hohe Dividenden an die Aktionäre ausschütten, werden die wahren Nutznießer des GDIP sein.
Die europäischen Regierungen suchen verzweifelt nach Wegen, um die globale industrielle Wettbewerbsfähigkeit der EU im Zeitalter der Netto-Null-Industrie zu stärken. Aber bisher ist die Vision eines neuen EU-Oligopols für saubere Technologien – die sich auf falsche Lösungen wie grünen Wasserstoff in großem Maßstab konzentriert, die nur gut für die Steigerung der Profite großer Unternehmen sind – völlig unzureichend, wenn es darum geht, wem und wofür das Netto-Null-Rennen um saubere Technologien überhaupt dient.
Der GDIP befasst sich nicht mit den größeren Problemen der europäischen Industrie. Die offensichtlichsten sind die Reinvestitionsanforderungen und die Beschränkungen für Rückkäufe und Dividendenausschüttungen – die Peitschen, die von den Konzernen, die um das staatliche Zuckerbrot betteln, so verachtet werden. Das fundamentalere Problem ist jedoch das Fehlen eines umfassenden industriellen Umdenkens, das in der Lage ist, unwesentliche und umweltschädliche Wirtschaftstätigkeiten zu identifizieren, und das auf einer gesellschaftlich breit beschlossenen öffentlichen Investitionsstrategie basiert, die auf einen sozial gerechten Wandel ausgerichtet ist.
Technokratische Versuche, die widersprüchlichen Interessen von Klimaschutz und Wirtschaft in Einklang zu bringen, scheitern. Eine demokratische Beteiligung und eine faire multilaterale Zusammenarbeit sind erforderlich, wenn der grüne Wandel über das derzeitige Nullsummenspiel der Unternehmen hinausgehen soll.
Alexandra Gerasimcikova arbeitet zu europäischen öffentlichen Finanzen und sozialer Gerechtigkeit bei der gemeinnützigen Organisation Counter Balance in Brüssel.