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04. Dezember 2025

»Scheidungen sind etwas für die Reichen – oder die ganz Armen«

Helene Klaar, Österreichs bekannteste Scheidungsanwältin und linke Sozialdemokratin, spricht über Besitzverhältnisse in der Ehe, Kindererziehung im Trennungsfall und warum sich Feministinnen wieder die 30-Stunden-Woche auf die Fahne schreiben sollten.

»Den meisten Männern ist es vollkommen egal, wie es der Frau nach der Scheidung geht. Das ist unglaublich.«

»Den meisten Männern ist es vollkommen egal, wie es der Frau nach der Scheidung geht. Das ist unglaublich.«

Foto: Christopher Glanzl

Es steht nicht gut um die Ehe. Statistisch gesehen kommt auf zwei Heiraten eine Scheidung. Der angeblich schönste Tag im Leben endet mit einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit einige Jahre später mit gebrochenen Herzen – und für manche mit der unangenehmen Aufgabe, das gemeinsame Vermögen aufzuteilen.

Wohl kaum jemand kennt sich so gut mit der Ehe und ihrem Ende aus wie Helene Klaar. Mit fast fünfzig Jahren im Beruf zählt sie zu den erfahrensten Scheidungsanwältinnen im deutschsprachigen Raum. In ihrem Büro im 4. Wiener Gemeindebezirk setzt sie sich seit Jahrzehnten beruflich mit den rechtlichen Konsequenzen gescheiterter Partnerschaften auseinander. Im Gespräch erklärt sie, woran die meisten Ehen scheitern und wie man es schafft, glücklich zusammen zu bleiben.

Frau Klaar, Sie sind eine von Österreichs bekanntesten Scheidungsanwältinnen. Eine nicht gerade romantische Profession. Welche Rolle spielt die Liebe in Ihrem Berufsalltag?

Ich nehme an, dass man den anderen zumindest sympathisch findet, wenn man einander heiratet. Alles andere wäre ja furchtbar. Aber im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch kommt das Wort Liebe bei der Definition der Ehe nicht vor. Da steht, die Ehe ist ein Vertrag zwischen zwei Personen – die Wortfolge verschiedenen Geschlechts, die da einmal stand, hat der Verfassungsgerichtshof gestrichen – und verpflichtet die Vertragspartner zur umfassenden Lebensgemeinschaft, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu leisten. Das ist das Wesen des Ehevertrags – Paragraf 44 übrigens, falls Sie nachlesen wollen.

Das klingt sehr technisch.

Ja, die Ehe ist, darauf verweise ich immer gerne, ein Vertrag, der mit bestimmten Rechten und Pflichten verbunden ist.

Sie führen Ihren Beruf seit fast fünfzig Jahren aus. Gab es da einen Fall, der Ihren Blick auf die Liebe nachhaltig verändert hat?

Ganz grundsätzlich zu sehen, wie temporär sie oft ist. Also, da sind zwei Leute und die haben sich einmal geliebt, sonst hätten sie einander ja nicht geheiratet. Und sobald dann einer – in der Regel der Mann – eine Neue hat und deswegen geschieden werden will, ist ihm die einstmals geliebte Frau sowas von schnuppe, dass es mir oft immer noch den Atem verschlägt. Den meisten Männern ist es vollkommen egal, wie es der Frau nach der Scheidung geht. Es gibt nichts, was sie ihr nicht zufleiß tun würden. Das ist unglaublich.

Warum scheitern eigentlich die meisten Ehen?

Letztens habe ich eine Sendung darüber gehört, wie man Kinder richtig ernährt. Dort hieß es, eine gesunde Jause sei wichtig – Topfenaufstrich oder ein paar geschnittene Karottenstücke, also viel Gemüse und bloß keine Fertigprodukte. Ich war fast versucht, anzurufen und zu fragen, wie eine Frau, die acht Stunden arbeitet und dazu noch eine Stunde pendelt, das überhaupt schaffen soll. Wer täglich zehn Stunden außer Haus ist, schnippelt morgens wohl kaum Karottensticks oder sticht diese lustigen Figuren aus, die Kinder so mögen. Und auch abends fehlt dann vielleicht die Geduld, Kraut für gesunde Krautfleckerl zu hobeln. Natürlich nimmt man am Heimweg eher eine Pizza mit.

»Den Kapitalismus müssen wir sowieso abschaffen. Aber fürs Erste wäre ich mit der 30-Stunden-Woche zufrieden. Von mir aus sogar nur für Leute mit Kindern unter zwölf.«

Die 40-Stunden-Woche macht ein gutes und intaktes Familienleben unmöglich. Das ist hinlänglich bekannt, aber der Herr Wirtschaftsminister sowie die Industriellenvereinigung wollen die Menschen am liebsten trotzdem noch länger schuften lassen. Die sollen schön brav wieder 50 Stunden pro Woche an die Maschinen gekettet werden. Wie soll denn eine Frau in dem System noch auf ihre eigene Gesundheit achten? Joggen gehen oder Tennis spielen, damit sie fesch bleibt und der Mann ihr nur ja nicht fremdgeht? Das geht sich alles hinten und vorne nicht aus.

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Helene Klaar ist Scheidungsanwältin in Wien.