04. November 2025
Jahrelang wurden illegal hohe Mieten in Berlin kaum verfolgt. Nun muss eine Vermieterin erstmals wieder mehrere Zehntausend Euro Strafe zahlen, weil sie zu teuer vermietet hat – ein Erfolg der Berliner Linken im Kampf gegen Mietwucher.

Berlin hat ein flächendeckendes Problem mit Vermietern, die sich nicht an Recht und Gesetz halten.
In Berlin-Friedrichshain muss eine Vermieterin knapp 50.000 Euro Strafe zahlen, weil sie eine 38,5 Quadratmeter große Wohnung für fast das Dreifache der ortsüblichen Miete vermietet hat. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg verdonnerte sie zu 26.000 Euro Bußgeld, zusätzlich muss sie 22.000 Euro an die geprellte Mieterin zurückerstatten.
Gegen das Bußgeld des Bezirksamtes hatte die Vermieterin zunächst Beschwerde eingelegt, ließ ihren Widerspruch jedoch in letzter Sekunde fallen. Der Bescheid ist damit rechtskräftig. Damit greift eine Behörde in der Hauptstadt zum ersten Mal seit vielen Jahren gegen Mietpreisüberhöhung durch – ein Erfolg der elf Monate alten Kampagne der Berliner Linken gegen Mietwucher. Und ein Hoffnungsschimmer für Berliner Mieterinnen und Mieter.
Unter »Mietwucher« werden umgangssprachlich zwei Arten illegal überhöhter Mieten zusammengefasst: Eine »Mietpreisüberhöhung« liegt vor, wenn eine Miete mindestens 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Für die Verfolgung sind die lokalen Wohnungsämter zuständig.
Sofern eine Miete mehr als 50 Prozent über dem Mietspiegel liegt und dem Vermieter nachgewiesen werden kann, dass er eine »Zwangslage« der Mietpartei »bewusst ausgenutzt« hat, spricht man von »Wucher«. Dies ist eine Straftat, weshalb hier die Staatsanwaltschaft ermittelt. In besonders schweren Fällen kann das mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Sowohl bei Mietpreisüberhöhungen als auch bei Wucher müssen Vermieter nach erfolgreichen Ermittlungen die zu viel gezahlten Mieten an die Mietpartei zurückzahlen und die Mieten auf das zulässige Maß absenken.
»Obwohl Bußgelder zurückhaltend ausgelegt wurden, konnten in Frankfurt rund 321.000 Euro festgesetzt und etwa 419.000 Euro Rückzahlungen an Mieterinnen durchgesetzt werden.«
Anders als bei der Mietpreisbremse werden Mietpreisüberhöhungen und Wucher nicht zivilrechtlich (Mieter gegen Vermieter), sondern ordnungsrechtlich (Behörde für Mieter gegen Vermieter) durchgesetzt. Das bedeutet: Mieterinnen müssen zwar zunächst selbst aktiv werden und ihre Miete bei den lokalen Wohnungsämtern oder der Staatsanwaltschaft melden. Im Anschluss übernehmen jedoch die Behörden die weiteren Ermittlungen und die Mieterinnen treten lediglich als Zeuginnen in etwaigen Verfahren auf. Anders als bei der Mietpreisbremse müssen sie also nicht selbst gegen ihren Vermieter vor Gericht ziehen und teils erhebliche Kosten auf sich nehmen, um ihr Recht durchzusetzen.
Bis in die frühen 2000er Jahre war die Ahndung von Mietpreisüberhöhungen ein gebräuchliches Instrument, das in vielen Kommunen genutzt wurde. In einer Grundsatzentscheidung legte der Bundesgerichtshof (BGH) 2004 die Hürden für die Verfolgung jedoch so hoch, dass das Instrument seitdem für faktisch unbrauchbar erklärt wurde. Nach Auffassung des BGH sind Mieter verpflichtet nachzuweisen, welche konkreten Schritte sie bei der Wohnungssuche unternommen haben und dass sie mangels anderer Optionen gezwungen waren, die überteuerte Wohnung anzumieten. Vor allem jedoch muss belegt werden, dass die Vermieter diese Zwangslage erkannt und zu ihrem Vorteil ausgenutzt haben.
Dennoch: Auch unter derzeit geltender Rechtsprechung ist die Verfolgung von Mietwucher durchaus möglich. Das zeigt das Vorgehen der Wohnungsaufsicht in Frankfurt am Main, die die für tot erklärte Verfolgung von Mietpreisüberhöhung im Jahr 2020 wiederbelebte. Allein zwischen 2020 und 2022 wurden 1.384 Verfahren geführt. Obwohl Bußgelder zurückhaltend ausgelegt wurden, konnten rund 321.000 Euro festgesetzt und etwa 419.000 Euro Rückzahlungen an Mieterinnen durchgesetzt werden. Mit seinem ersten rechtskräftigen Bescheid hat Berlin nun nach- und, was die Höhe des Bußgeldes betrifft, sogar deutlich vorgelegt.
Inspiriert von den Frankfurter Erfolgen, setzte Die Linke in Berlin das Thema bereits vor zwei Jahren auf die politische Tagesordnung. Anträge zur Verfolgung von Mietwucher wurden im November 2023 im Abgeordnetenhaus jedoch abgelehnt. Die »interessante« Begründung der Regierungsparteien CDU und SPD: Es gebe in Berlin keine Fälle von Mietwucher oder illegal überhöhte Mieten im großen Ausmaß, obwohl Berliner Mieterinnen jeden Tag das genaue Gegenteil erleben. Richtig ist, dass es zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich keine Verfahren gab. Mit dem Wirtschaftsstrafrecht gegen Vermieter vorzugehen, war in den Wohnungsämtern – und erst recht bei den Mieterinnen – weitgehend unbekannt. Folgerichtig gab es weder Personal noch eine Stelle, wo sich Mieterinnen melden konnten.
»Die Linke entwickelte eine Website, auf der Mieterinnen und Mieter mit nur wenigen Klicks prüfen können, ob sie eine illegal hohe Miete zahlen.«
Vor 11 Monaten startete Die Linke dann ihre »Mietwucher App«. In Zusammenarbeit mit den Autoren dieses Artikels entwickelte die Partei eine Website, auf der Mieterinnen und Mieter mit nur wenigen Klicks prüfen können, ob sie eine illegal hohe Miete zahlen. Verdachtsfälle können per Mausklick bei den Behörden gemeldet werden. Das Angebot wurde seither stetig ausgeweitet. Stand heute wird die App für vierzehn Städte angeboten, neben Berlin sind das unter anderem München, Hamburg, Leipzig, aber auch Bochum und Erfurt. In vielen weiteren Städten ist die Einführung geplant.
Die Idee hinter der App ist einfach: Sie soll das Ausmaß von Mietpreisüberhöhungen in den Städten und Kommunen sichtbar machen. Die Meldungen an die Ämter erzeugen Handlungsdruck, damit mehr Behörden sich an Frankfurt am Main ein Beispiel nehmen und illegale Mieten verfolgen. Parallel dazu erhöhen die Fraktionen in Kreis- und Landtagen sowie im Bundestag durch Anfragen und Anträge den politischen Druck.
Darauf reagierte die Bundesregierung vor rund einem Monat mit der Einsetzung einer Expertenkommission, die sich dem Thema Mietrecht widmet. Diese soll bis Ende 2026 einen Vorschlag für eine Neufassung des Bußgeldtatbestands Mietwucher erarbeiten. Die Einsetzung der Expertenkommission muss dabei als Verzögerungstaktik gewertet werden. Schließlich fasste der Bundesrat bereits 2022 einen Beschluss, angestoßen durch das CSU-regierte Bayern und von vier weiteren Bundesländern unterstützt, der aufzeigt, wie durch die Umstellung weniger Wörter im Gesetz die Rechtsprechung des BGH geheilt und eine Ahndung von Mietwucher im Sinne des Gesetzes wieder ermöglicht werden könnte.
Bislang blockieren alte wie neue Bundesregierung einen effektiven Schutz vor Mietwucher. Die in den Startlöchern befindliche bundesweite Kampagne der Linken für bezahlbares Wohnen dürfte den politischen Druck für Reformen weiter erhöhen.
Seit dem Start der Kampagne nutzten allein in Berlin 80.000 Haushalte die Mietwucher App. In mehr als 70 Prozent liegt eine überhöhte Miete vor. Im Durchschnitt liegt die Miete mehr als 50 Prozent über dem Mietspiegel. Fast 3.200 Meldungen gingen in den Bezirken ein. Würden für alle die App nutzenden Haushalte die Mieten auf das zulässige Maß abgesenkt werden, gäbe es eine jährliche Ersparnis von mehr als 200 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Berlin hat ein flächendeckendes Problem mit Vermietern, die sich nicht an Recht und Gesetz halten – und von diesem Senat nichts zu befürchten haben.
Dabei hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner bereits im September 2023 mit einer Ankündigung für Schlagzeilen gesorgt: Er wolle, dass Berlin künftig stärker gegen illegal hohe Mieten und Mietwucher vorgehe. Diesem seltenen Anflug von Realitätssinn des Berliner CDU-Chefs folgte jedoch: fast nichts. Zuständig für die Verfolgung von Mietpreisüberhöhungen sind die Berliner Bezirke, die wiederum vom Senat finanziell, personell und organisatorisch dafür ausgestattet werden müssten. Dieses Zuständigkeits-Ping-Pong nutzen CDU und SPD gezielt aus, um einerseits öffentlich von »schwarzen Schafen« unter den Vermietern zu sprechen, denen man das Geschäft mit den Wuchermieten verbieten will. Andererseits verweigert der Senat den zuständigen Behörden die nötigen Ressourcen, dies auch umzusetzen.
»Bislang blockieren alte wie neue Bundesregierung einen effektiven Schutz vor Mietwucher.«
Dass Berlin trotz alledem erstmals erfolgreich gegen Mietwucher vorgeht, ist ein Verdienst jahrelanger und beharrlicher Arbeit der Linken. Neben einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit können Mieterinnen, die die App genutzt haben, in den Sprechstunden der Partei zum weiteren Vorgehen beraten werden. Im Abgeordnetenhaus und den Berliner Bezirksparlamenten erzeugten die Linksfraktionen durch Anfragen und Anträge stetigen Druck – mit besonderem Erfolg in Friedrichshain-Kreuzberg.
Aus Mangel an Unterstützung durch den Senat wurde aus dem klammen Bezirkshaushalt eine Stelle geschaffen, die nun mit notdürftiger Unterstützung aus anderen unterbesetzen Abteilungen Stück für Stück die gemeldeten Fälle abarbeitet und – weil der Senat kein digitales Fachverfahren anlegt – händisch erste Bußgeldbescheide verschickt hat. Die Verantwortung trägt die linke Stadträtin Regine Sommer-Wetter, der nun mit dem ersten rechtskräftigen Bußgeldbescheid ein Durchbruch gelungen ist.
Das Beispiel zeigt: Mietwucher kann – mit entsprechendem politischem Willen – ein Riegel vorgeschoben werden. Zwar steht ein Grundsatzurteil noch aus, doch die Chancen stehen gut, dass Berlin als zweite Stadt bundesweit die massenhafte Verfolgung von Mietwucher reaktiviert. Den Behörden liegen jedenfalls tausende weitere Verdachtsfälle auf Mietpreisüberhöhung zur Bearbeitung vor.
Bereits jetzt zeigt die Mietwucher-Kampagne, dass es für die Linke viel zu gewinnen gibt, wenn konzeptionelle Arbeit im Parlament, breite öffentliche Kampagnen und Aufklärung an den Haustüren und in den Hilfs- und Beratungsangeboten Hand in Hand gehen. Der Weg, bis dreisten Vermietern endlich das Handwerk gelegt und ein bundesweiter Mietendeckel durchgesetzt wurde, gleicht einem Marathon für die Linke – der Erfolg in Berlin-Friedrichshain ist dabei ein wichtiger Meilenstein.
Niklas Schenker sitzt seit 2021 für Die Linke im Abgeordnetenhaus in Berlin.
Lukas Klatte ist seit 2022 Referent für Mieten, Wohnen, Bauen der Linksfraktion Berlin.
Philipp Möller leitet das Büro von Niklas Schenker und ist aktiv bei der Linken in Berlin-Mitte.