25. Dezember 2022
Im Herbst 1972 überzogen Alt- und Neonazis das österreichische Kärnten mit einer zerstörerischen Welle der Gewalt. Obwohl der sogenannte Ortstafelsturm ein halbes Jahrhundert zurückliegt, sind dessen Folgen für die slowenische Minderheit und die politische Kultur des Landes bis heute gravierend.
Polizisten bewachen zweisprachige Ortsschilder in Obersammeldorf während des sogenannten Kärtner Ortstafelstreits.
Was im Herbst 1972 im österreichischen Bundesland Kärnten/Koroška geschah, ist schnell erzählt: Auf Beschluss der damaligen Regierung unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Bruno Kreisky wurden in ausgewählten zweisprachigen Südkärntner Ortschaften zweisprachige Ortsschilder aufgestellt. Kaum standen die ersten, rollte ein zentral organisierter rechtsextremer Mob, der von der Polizei fürsorglich geschützt wurde, in Autokolonnen durch Südkärnten und räumte sie wieder ab. Einige landeten in der Drau, andere wurden als Trophäe privat angeeignet, wieder andere im Landhaushof in Klagenfurt/Celovec auf einen Haufen geworfen.
Unter den Kärntner Sloweninnen und Slowenen, vor allem unter jenen, die den Naziterror selbst erlebt hatten, griff Angst um sich. Widerstand regte sich nicht. Die österreichische Öffentlichkeit und die ausländische Presse wunderten sich, was alles sie da plötzlich zu sehen bekamen. Der 1957 wiedergegründete Kärntner Heimatdienst (KHD), der einschlägige Verband für »Volk-steh-auf-Sturm-brich-los«-Events in der Region, wollte mit der Organisierung der rechten Ausschreitungen nichts zu tun haben. Der Ex-Obmann der Initiative Josef Feldner leugnet dies bis heute; er habe auf einer Protestkundgebung am 15. Oktober im Landhaushof lediglich den Unmut im »Volk« kanalisiert, damit es nicht zu Schlimmerem komme. De facto war es eine Überleitung zur »Minderheitenfeststellung«, mit der die Ortstafelstürmer für ihr Tun belohnt werden wollten.
Die deutschnational-chauvinistische Energie, die sich im Herbst 1972 in dieser kleinen europäischen Region entlud, war viele Generationen hindurch aufgeladen worden. Nach dem Zusammenbruch der österreichischen k.u.k.-Monarchie infolge des Ersten Weltkriegs wurden auf deren Territorium die Staatsgrenzen neu gezogen. Dabei entstanden neue Nationalstaaten, wobei die deutschsprachigen beziehungsweise überwiegend deutschsprachigen Länder zu »Deutschösterreich« wurden, welches die heutige Republik Österreich bildet.
Der überwiegend von Slowenischsprechenden bewohnte südliche Landesteil Kärntens wurde sowohl vom Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (nach dem 1. Dezember 1918: Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) als auch von der deutschnational orientierten »Landesversammlung von Kärnten« beansprucht. Aus dieser Konfliktsituation ergaben sich Grenzscharmützel, die durch das Eingreifen regulärer jugoslawischer Truppen, die am 6. Juni 1919 Klagenfurt besetzten, militärisch entschieden wurden. Auf Druck der Alliierten zogen die jugoslawischen Verbände nach kurzer Zeit wieder ab.
Der Vertrag von Saint-Germain, der die Auflösung der österreichischen Hälfte von Österreich-Ungarn regelte, sah für das umstrittene Gebiet ein Plebiszit über die Staatszugehörigkeit vor. Dieses fand am 10. Oktober 1920 statt. 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler entschieden sich für Österreich. Ausschlaggebend dafür waren die Stimmen slowenischer Stimmberechtigter, denen von der deutsch beziehungsweise österreichisch orientierten Propaganda die Wahrung sprachlich-kultureller Rechte versprochen wurde sowie die Positionierung der Sozialdemokratie, die sich im Bündnis mit bürgerlich-antisozialistischen Kräften deutschnational orientierte und diese Orientierung mit republikanisch-sozialer Agitation gegen das jugoslawische Königreich verband.
Welche Bedeutung der Ausgang dieser Abstimmung für die damalige, auch in Österreich vorherrschende großdeutsche Orientierung haben sollte, zeigt sich unter anderem auch in der Reaktion des Schriftstellers Thomas Mann, der sich in seinem »Gruß an Kärnten« herzlichst über die Nachricht freute, »daß Kärnten österreichisch, daß es deutsch bleiben will und wird«.
Der hochrangige Früh-Nazi, militärische Truppenleiter in den Nachkriegs-Grenzscharmützeln und Gallionsfigur der Kärntner Rechten Hans Steinacher hat die komplexe Bedeutung der siegreichen, weil – im Unterschied zur jugoslawischen – klassenübergreifenden deutschnationalen Plebiszitpropaganda vor hundert Jahren wie kein anderer und präziser als Thomas Mann auf den Punkt gebracht: »In unserem Abstimmungskampf spielte das Bekenntnis zu Österreich keine Rolle. Weil wir aber wegen der auf ›alldeutsche Umtriebe‹ lauernden Alliierten [...] nicht in der Lage waren, ›Deutschland‹ zu rufen, von ›Österreich‹ nicht reden wollten, so wurde unser Kampfruf eben ›Kärnten‹.« Anders gesagt: Man verfolgte einen imperialen, nach Südosten vorausblickenden Deutschnationalismus, der regionalistisch kostümiert wurde – mit nachhaltiger Wirkung.
Nach der plebiszitären Entscheidung für Österreich war von einer Wahrung sprachlich-kultureller Rechte des slowenischen Bevölkerungsteils Kärntens keine Rede mehr. Im Gegenteil: Der nationalistische und soziale Druck wurden verstärkt. Haus- und Hofhistoriker des Landes erfanden zum Zweck der Spaltung slowenischer kultureller Bestrebungen sogar eine neue sprachlich-nationale Volksgruppe. Sie wählten für diese die alte Bezeichnung »Windische« und stellten diese in Gegensatz zu den »Nationalslowenen« (in der Nazi-Zeit versuchten sie sich auch an Schädelmessungen). Zwei- bis dreitausend Sloweninnen und Slowenen verließen Kärnten und zogen nach Jugoslawien.
Die kontinuierliche antislowenische beziehungsweise antislawische, rassistisch unterfütterte Landespolitik in Kärnten, die nicht erst 1920 begann, sondern schon seit Jahrzehnten davor alle ihr zur Verfügung stehenden ökonomischen, politischen und bildungspolitischen Hebel in ihrem Drang nach Südosten nutzte (besonders engagiert zeigte sich diesbezüglich der Deutsche Schulverein Südmark), ging nahtlos in die Politik der Nazis über. In Kärnten slowenisch zu sprechen wurde geächtet (»Kärntner sprich deutsch«), noch sichtbare slowenische Aufschriften wurden demontiert, slowenische Vereine, Bibliotheken und Genossenschaften enteignet. Auf Grundlage von Listen, die von heimatdienstlichen Kärntnern verfasst worden waren, wurden tausend slowenische Menschen aus Kärnten ins deutsche Reich deportiert, wo sie Zwangsarbeit verrichten mussten oder in Konzentrationslager verbracht wurden. Viele von ihnen überlebten das nicht.
Allerdings: Wider Erwarten der Nazis traf dies auf bewaffneten, in die gesamtslowenische beziehungsweise jugoslawische antifaschistische Befreiungsfront (und militärisch in die jugoslawische Volksarmee) eingebetteten partisanischen Widerstand. Hunderte Kärntner Slowenen und Sloweninnen kämpften, ausgerüstet auch mit britischen Waffenlieferungen, gegen die Nazis in Österreich – der bedeutendste organisierte, bewaffnete und kollektive antifaschistische Widerstand innerhalb der Grenzen des Dritten Reichs. (Im kommenden Jahr wird vom slowenischen Frauenverband die Gründung der Kärntner slowenischen Antifaschistischen Frauenfront gefeiert, die 1943, mitten im Krieg, im Südkärntner Eisenkappel/Železna Kapla stattfand.) Zu den Kriegszielen der slowenischen Befreiungsfront gehörte auch die Vereinigung aller slowenischsprachigen, von Deutschen, Italienern und Ungarn besetzten Regionen, inklusive Triest und Südkärnten.
Am 8. Mai 1945 befreiten slowenische beziehungsweise jugoslawische Truppen zeitgleich mit britischen die Kärntner Landeshauptstadt, bevor sie – wie schon 1919 – auf Druck der Alliierten wieder abzogen. Die angestrebte Eingliederung Südkärntens in den neuen sozialistischen Staat Jugoslawien fand nicht statt. Sie widersprach sowohl dem Ziel der Allierten nach Wiederherstellung der österreichischen Souveränität (Moskauer Deklaration 1943) als auch den – dem Kalten Krieg geschuldeten – antikommunistischen Intentionen der Briten, was sich auch in ihrem unfreundlichen bis feindseligen Umgang mit den noch vor kurzem verbündeten Kärntner Partisanen und Partisaninnen äußerte (unter anderem hat das der ehemalige Partisan Lipej Kolenik in seinem ins Deutsche übersetzten Buch Von Neuem anschaulich dokumentiert).
Allerdings beflügelte die Forderung nach Eingliederung Südkärntens in den jugoslawischen Staat die Bereitschaft der unter britischer Kuratel fungierenden Kärntner Landesverwaltung, als Wiedergutmachung für das in der Nazizeit der slowenischen Bevölkerung des Landes zugefügte Unrecht einen durchgängig zweisprachigen Unterricht in Südkärnten einzuführen. Und dass sich nach dem Krieg die Alliierten 1955 im Staatsvertrag mit Österreich auf die Minderheitenschutzbestimmungen des Artikels 7 einigten, ist auch auf den partisanischen Widerstand in Kärnten zurückzuführen. Im Artikel 7 wurden in fünf Absätzen die Minderheitenrechte festgeschrieben, darunter die topographische Zweisprachigkeit des slowenisch- beziehungsweise zweisprachigen Gebiets. Insofern ist dieser Artikel ein im Staatsvertrag festgehaltener antifaschistischer Auftrag an die österreichische Gesellschaft beziehungsweise an ihren Staat.
Kaum war jedoch die Tinte der Unterzeichner unter dem Staatsvertrag getrocknet, reagierten die bis dahin informellen und jetzt wiedererwachten heimatdienstlichen Spezialorganisationen samt Alt- und Neonazis. Mit Hilfe der Landtagsparteien und einer gefügigen, von den Sozialisten (später: Sozialdemokraten) angeführten Landespolitik zerstörten sie das nach 1945 eingerichtete zweisprachige Pflichtschulwesen in Südkärnten und reduzierten es auf eine Anmeldeoption für Eltern (diese Regelung gilt bis auf den heutigen Tag). Sie überzogen Kärnten kontinuierlich mit antislowenischer Agitation und verbanden diese im Kontext des Kalten Krieges mit antijugoslawischer beziehungsweise antikommunistischer Propaganda. Zweisprachige Ortstafeln als Symbol eines zweisprachigen Landes waren für diese Klientel unvorstellbar, was deren organisierte und inszenierte Zerstörung zur Folge hatte. Womit die lange Vorgeschichte in die zeitgeschichtlichen Ereignisse des Jahres 1972 mündet und der »Ortstafelsturm« im Kontinuum der völkischen Germanisierungspolitik des Landes erkennbar wird. Noch zwölf Jahre danach verkündete sein ab 1989 oberster Repräsentant Jörg Haider auf einer öffentlichen Veranstaltung in St. Jakob/Šentjakob, dieses Land »wird nur dann frei sein, wenn es ein deutsches Land sein wird« (Kladivo, 6-7/1984), was er bis zu seinem Lebensende auch konsequent mit spektakulären Aktionen gegen zweisprachige Ortstafeln, die bis an die Grenze des Lächerlichen gingen, durchzuziehen versuchte.
Zurück zum Jahr 1972: Dem Beschluss der Kreisky-Regierung, in 205 Ortschaften Südkärntens zweisprachige Schilder aufzustellen, waren zwei turbulente Jahre vorangegangen. Die Kärntner Landesregierung hatte zum 50. Jahrestag des Plebiszits, der Südkärnten an Österreich angliederte, den Ex-Nazi Franz Koschier zum Gestalter der Feierlichkeiten zum 10. Oktober ernannt. Dieser hatte den Festzug wie schon in den vergangenen Jahren als Abklatsch nationalsozialistischer Festkultur und im Sinne der klassenverbindenden deutschnationalen Volksgemeinschafts-Tradition konzipiert. Das animierte die damalige slowenische studentische Generation ausgehend von der (strikt links, ab Mitte der 1970er Jahre kommunistisch orientierten) Zeitschrift Kladivo zu Protesten, die in Aufschriftenaktionen mündeten, das heißt: Einsprachige Ortstafeln, die laut Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrags von 1955 zweisprachig sein müssten, es aber nicht waren, wurden in mehreren Anläufen um slowenische Bezeichnungen vervollständigt. Darauf folgte ein Entrüstungssturm querfeldein in den Kärntner Medien, vor allem auch im damaligen Zentralorgan des Kärntner Deutschnationalismus, der Kleinen Zeitung, und im Organ der Österreichischen Volkspartei Volkszeitung. Eine rühmliche Ausnahme in der deutschsprachigen Medienlandschaft bildete das regionale Organ der Kommunistischen Partei, der Volkswille, der darauf verwies, dass diejenigen, die sich um zweisprachige Ortstafeln bemühten, lediglich verfassungstreu gehandelt hätten.
Polizeiliche Ermittlungen und gerichtliche Verfolgung der slowenischen Aktivistinnen und Aktivisten erregten internationales Aufsehen und sorgten auch im jugoslawischen Slowenien für Proteste. Für die Kreisky-Regierung wurde der damit verbundenen Wirbel zur Blamage – immerhin war diese gerade auch in die Verhandlungsprozesse für die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa einbezogen. Kreisky selbst hatte sich international schon als Außenminister für die Lösung der sogenannten »Südtirol-Frage« exponiert, während die österreichischen Regierungen seit siebzehn Jahren keinen Finger gerührt hatten, um ihre völkerrechtliche Verpflichtung, nämlich die Minderheitenschutzbestimmungen, umzusetzen.
»Kärnten stand am Rande eines Bürgerkrieges«, meint der Kärntner Historiker Hellwig Valentin im Rückblick auf 1972. An der dafür erforderlichen Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit der Rechten fehlte es tatsächlich nicht. Allerdings gab es keinen aktiven physischen Widerstand gegen den rechtsextremen Mob, also auch keine Gegenpartei, die zum Bürgerkrieg bereit gewesen wäre.
Kärnten stand de facto also nicht am Rande eines Bürgerkriegs, wohl aber am Rande eines massiven nationalchauvinistischen Pogroms gegen die slowenische Bevölkerung. Die SPÖ-dominierte Landespolitik steckte in der Krise – der Deutschnationalismus, der die Sozialdemokratie in Kärnten 1920 in ein Bündnis mit diversen antisozialistischen bürgerlichen Fraktionen geführt hatte, holte sie in den 1970ern unübersehbar ein. Der damalige Bürgermeister von St. Kanzian/Škocjan, ein Sozialdemokrat namens Vitus Jesse, um ein Beispiel zu nennen, war einer der bekannteren Fahnenträger der antislowenischen Räumkommandos.
Der SPÖ-Landeshauptmann Hans Sima argumentierte im Sinne der Staatsräson für den Regierungsbeschluss – ohne Erfolg. Als er das in der Bezirkshauptstadt Völkermarkt tat, wurden er und seine Frau Lia beim Verlassen der Versammlung verbal und physisch angegriffen. Kreisky selbst war zuvor vor der Klagenfurter Arbeiterkammer Ähnliches widerfahren. »Am Schluss bestand die Parteiorganisation der SPÖ nur mehr auf dem Papier. Die große Stunde von Leopold Wagner war gekommen«, schrieb der ehemalige Kärntner Gewerkschaftsfunktionär Gerhard Hausenblas in seiner 2000 erschienenen Broschüre »Kärnten / Die nationale Frage«.
Die Kärntner SPÖ rückte nach rechts und gab den Heimatdienstlern nach, die von der Bundesregierung eine Zählung bekennender slowenisch (nicht: »windisch«) Sprechender einforderten (»Minderheitenfeststellung«). Ein Dreiparteienkonsens zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ wurde zur politischen Plattform dieser – von Regierungsseite beschönigend »Volkszählung besonderer Art« genannten – Kopfzählung, die in einer restriktiven Behandlung der Minderheitenrechte (»Volksgruppengesetz«) mündete. Als Voraussetzung für zweisprachige Ortstafeln wurde eine Quote von 25 Prozent bekennender slowenisch Sprechender (auf Altgemeinde-Ebene) als Voraussetzung festgelegt.
Erst die private Initiative des slowenischen Kärntner Rechtsanwalts Rudi Vouk führte zu einem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, der diesen Satz auf 10 Prozent herabsenken wollte. Dass der Artikel 7 keinerlei Kopfzählung oder Prozente für das zweisprachige Gebiet vorsieht, wurde auch in diesem Entscheid nicht berücksichtigt. Der BZÖ/FPÖ-Landeshauptmann Dörfler und der SP-Staatssekretär Ostermayer einigten sich unter Zugzwang angesichts der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs schließlich auf 17,5 Prozent. Die slowenischen Vereinsvertreter waren dabei zwar anwesend, durften aber nur zustimmend murmeln.
Die tonangebende Erzählung, die heute medial verbreitet wird, geht anders: Ein leidiger »Ortstafelstreit« wäre durch die Aussöhnung ehemaliger »Gegner« durch einen »Ortstafelkompromiss« beigelegt worden, und das sei Ausdruck eines neuen Kärnten. Abgesehen von einem offeneren medialen Klima seit dem Tod des ehemaligen Landeshauptmanns Haider und dem Beitritt Sloweniens zur EU, einem freundlicheren Landeshauptmann und Bundespräsidenten ist die Situation in den zweisprachigen Gemeinden Südkärntens im Wesentlichen unverändert geblieben.
Die Bestimmungen des Artikels 7 sind nach wie vor nur teilweise erfüllt. Dem Naziterroristen Steinacher wurde unlängst vom Heimatdienst ungehindert eine Gedenktafel in Miklauzhof/Miklavčevo, seiner Wohngemeinde, errichtet; wichtige Errungenschaften wie etwa die öffentliche zweisprachige Volksschule in Klagenfurt wurden nur durch jahrelange kräftezehrende zivilgesellschaftliche Anstrengungen durchgesetzt, was übrigens auch für die zweisprachigen Ortstafeln gilt: Ohne die Protestaktionen der breiten österreichweiten Solidaritätsbewegung (»Artikel 7 – unser Recht«, »Wir sind nicht allein – die Demokraten sind mit uns« waren zwei typische Losungen), die von der jungen Kärntner slowenischen studentischen und nicht-studentischen Linken initiiert und in der Folge nicht nur von der Linken getragen wurde, gäbe es heute keine einzige zweisprachige Ortstafel.
Die slowenischen Vertretungsvereine haben mit und nach der von den Kärntner Medien liebevoll »Ortstafelkompromiss« genannten Einigung von Bund und Land vorerst politisch abgedankt. Besonders krass gestaltete sich das mit der unter beziehungsweise von der schwarz-blauen Regierungskoalition erfundenen und von den Kärntner Medien gehätschelten »Kärntner Konsensgruppe«. In und mit dieser zelebrierten zu diesem Zeitpunkt führende Personen ausgerechnet des Zentralverbands slowenischer Organisationen (Zveza slovenskih organizacij), der sich in der Nachfolge des antinazistischen Widerstands sieht, unter dem Arbeitstitel »Versöhnung« jahrelang eine Verbrüderung mit dem Heimatdienst, seinem langjährigen Obmann Feldner und taten es nach dessen Abgang mit dessen Nachfolger, dem ehemaligen EU-Abgeordneten der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) Andreas Mölzer. Damit schrieben sie den Deutschnationalen unter neuen Umständen die alte Kompetenz zu, im Namen »der Kärntner« zu definieren, was im Sinne »der Kärntner« ist, und was nicht. Das ganze Konsens-Getue mit dem Heimatdienst passt hervorragend zu den frischen Exponentinnen und Exponenten des europäischen Rechtsextremismus und der von ihnen betriebenen Ethnisierung der Politik, verbunden mit historischem Revisionismus.
Der jetzige Heimatdienst-Obmann Mölzer kann das. Jörg Haider, der ab 1979 die Kärntner FPÖ im österreichischen Nationalrat vertrat, hat sich seinerzeit des antislowenischen Ressentiments bedient, was ihn wiederum in die österreichische Politik katapultierte. Mölzer versucht die geschwächte slowenische politische Szene zu nutzen und instrumentalisiert dazu einige politisch domestizierte slowenische Exponenten. Das ist ihm auch die eine oder andere zusätzliche zweisprachige Ortstafel wert.
Ob die linke Tendenz in der slowenischen Community, die durch den Konsens mit den Rechtsextremen vielfach demoralisiert wurde, die Kraft aufbringen wird, sich im minderheitenpolitischen Diskurs wieder politisch handelnd einzubringen, wird sich zeigen. Unter den Mitgliedern des Verbands der Kärntner Partisanen, unter slowenischen KulturaktivistInnen und Studierenden gibt es Ansätze dazu. Seit kurzem auch im Zentralverband slowenischer Organisationen, dessen Vorsitzender auf der Generalversammlung im November eine Abkehr vom rechten Kurs ankündigte und prompt mit 95 Prozent der Delegiertenstimmen wiedergewählt wurde. Die politische Zusammenarbeit mit dem rechtsnationalistischen Heimatdienst in der »Kärntner Konsensgruppe« wurde durch ein Moratorium auf Eis gelegt. Der Zentralverband, so die Devise, müsse als genuin antifaschistische Vereinigung seine Ziele neu definieren. Was das impliziert, wird sich weisen.
Eine frühere Fassung dieses Artikels erschien zuerst in der Volksstimme.
Mirko Messner absolvierte das Germanistik- und Slawistikstudium in Wien, war im Klub slowenischer Studentinnen und Studenten sowie im Kommunistischen StudentInnenverband tätig und von März 2006 bis Juni 2021 (bis 2012 gemeinsam mit Melina Klaus) Bundessprecher der Kommunistischen Partei Österreichs.