08. Dezember 2020
Die Schufa steht wieder in der Kritik – dieses Mal, weil sie für ihr Kreditscoring die Kontostände ihrer Kunden einsehen will. Das ist nicht nur schlecht für den Datenschutz, es verschärft auch die soziale Ungleichheit.
Keine Behörde, sondern ein Unternehmen: die Schufa.
Wieviel hast Du auf dem Konto? Diese Frage stellt in Deutschland kaum jemand, denn über Geld redet man hierzulande ungern – mit Ausnahme der Schufa, die jetzt auch Konten überprüfen will. Normalerweise kommt man mit der Schufa nur in Kontakt, wenn man ein Smartphone kaufen will oder in einer Großstadt wie Berlin eine Bewerbungsmappe für eine Wohnung fertig macht. Ohne Schufa-Auskunft vergeben viele Vermieterinnen und Vermieter keine Wohnung mehr, das Gleiche gilt für Handyanbieter wie O² oder Energieverträge. 29,95 Euro kostet so eine Auskunft bei der Schufa, aber was ist die Schufa eigentlich und auf welcher Grundlage bewertet sie uns?
Wer sich informiert, erlebt die erste große Überraschung. Das Wort »Schufa« hört sich nach der Abkürzung für eine Behörde an, aber genau das ist die Schufa nicht. Sie ist eine 1929 gegründete Aktiengesellschaft. Die Schufa gehört zu 87 Prozent unterschiedlichen Banken und macht einen Umsatz von über 200 Millionen Euro im Jahr. Ihr ganzes Geschäftsmodell ist die Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Personen und Unternehmen. Mit Daten von fast 68 Millionen Einzelpersonen in Deutschland ist sie das größte Unternehmen ihrer Art.
Die Schufa-Auskunft beruht auf einem persönlichen Scoring von 1 bis 100, das die Kreditwürdigkeit einer Person einschätzt. Unklar ist bis heute, wie das Scoring zustande kommt. Die Schufa nennt nur einige ihrer Erfassungskriterien. Dazu gehört die Anzahl der Konten einer Person, egal ob bei einer Bank oder bei Online-Accounts von Amazon oder H&M. Damit weiß die Schufa mehr über unsere finanziellen Angelegenheiten und Aktivitäten als das Finanzamt. Ein besonders schlechtes Scoring ergibt sich zum Beispiel durch »abweichendes Zahlungsverhalten«, wenn man etwa Rechnungen zu spät zahlt oder einen Insolvenzantrag gestellt hat. Solche Daten speichert die Schufa drei bis zehn Jahre lang.
Abgesehen von diesen Kriterien, ist das Scoring aber intransparent. Die Schufa gibt lediglich an, ein eigenes Berechnungsverfahren zu haben. Seit vielen Jahren versuchen Datenschützerinnen und Datenschützer sowie Projekte wie »Openschufa« die zugrundeliegenden Algorithmen der Schufa zu entschlüsseln – ohne Erfolg. Klar ist nur: Das Scoring der Schufa ist fehleranfällig. So bekommen viele Menschen ein schlechtes Scoring, obwohl sie keine Unregelmäßigkeiten aufweisen. Junge Männer erhalten beispielsweise offenbar pauschal ein schlechteres Scoring.
Gegen das Scoring und die Datenerfassung durch die Schufa darf zwar jede Person Widerspruch einlegen, nur nützt das denen, die eine Schufa-Auskunft für das nächste Smartphone brauchen, herzlich wenig. Immer wieder sind zudem Fälle bekannt geworden, in denen Telekommunikationsunternehmen Kundinnen und Kunden mit Einträgen bei der Schufa drohten. Ein negatives Schufa-Scoring verschlechtert dann zum Beispiel zusätzlich die Chancen, eine neue Wohnung zu bekommen. Welcher Vermieter nimmt schon eine Neumieterin mit schlechtem Scoring auf der Schufa-Auskunft?
Die Schufa startete im letzten Monat ein »Testverfahren« indem die Höhe des Kontostandes eine weitere Grundlage für ihr Scoring bilden soll. Übernehmen soll das ihre Firmentochter Finapi. Das ist nicht nur datenschutzrechtlich problematisch, sondern wirft auch Fragen zum Firmengeflecht der Schufa auf. Schon jetzt profitieren die Banken nicht nur als Eigentümer der Schufa von der Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Personen – auch die Schufa selber profitiert. So ist die Schufa an Inkassounternehmen beteiligt und kann über Abfragen im eigenen Firmengeflecht an einen Großteil der Finanzdaten herankommen. So kann sie ihre »Kunden« noch effektiver überprüfen oder säumige Zahlerinnen gezielter verfolgen.
Das müsste in einem Land wie Deutschland eigentlich zu einem Aufschrei führen, denn nichts ist privater als der eigene Kontostand. Doch das Scoring hat auch eine weitere, klassenpolitische Dimension. Wer wenig Geld verdient oder wenig Geld hat, wird im Bewerbungsverfahren für eine Wohnung ohnehin schon schlechtere Karten haben. Ein negatives Schufa-Scoring verschärft diese Probleme noch zusätzlich. Geradezu zynisch muten vor diesem Hintergrund Vorschläge an, die erklären wollen, »wie sich das eigene Schufa-Scoring verbessern« lässt. So empfiehlt das Online-Portal T-Online etwa, Rechnungen immer pünktlich zu zahlen und nicht so oft umzuziehen, weil sonst ein negatives Schufa-Scoring droht.
Nicht zum ersten Mal gibt es derlei Probleme mit der Schufa. Bis 2002 wertete die Schufa schon Auskunftsanfragen von Privatpersonen als verdächtig. Wer also ihre Dienste nutzte, erhielt eine schlechtere Bewertung – auch eine Art von Kundenservice. Diese Praxis wurde dann gerichtlich verboten. Bis 2016 bewertete die Schufa für ihr Scoring auch Social-Media-Aktivitäten von Personen, etwa bei Facebook, aus. Unklar war dabei, welches Verhalten auf Facebook zu welchem Scoring führte. Auch hier haben erst die Gerichte diesen dubiosen Praktiken einen Riegel vorgeschoben. Jedes Mal, wenn die Kritik an der Schufa zu groß wurde, griffen die Gerichte ein. Grundlegend geändert hat sich bis heute aber trotzdem nichts. Das zeigt auch der aktuelle Vorstoß der Schufa.
Die Frage ist nur, warum die Schufa so etwas machen kann? Eine Aktiengesellschaft sammelt intransparent Berge von Daten über das Einkaufs- und Zahlungsverhalten und nun auch die Kontostände. Das ganze Geschäftsmodell basiert auf teuren Auskünften über Daten, die keine Person vorlegen will. Gleichzeitig verschärft die Schufa bestehende Ungleichheiten. Jedes Mal 30 Euro für eine Schufa-Auskunft auszugeben, ist nicht nur teuer, sondern auch sinnlos. Denn schließlich weiß jede Person, die sich solch eine Auskunft besorgt, um die eigene finanzielle Situation Bescheid. Die Schufa-Auskunft verschlechtert im Zweifelsfall nur die Chancen auf einen Handyvertrag, eine neue Wohnung oder den Wechsel des Energieanbieters.
Das Mindeste wäre daher, verbindliche Schufa-Auskünfte für den Miet- oder Handyvertrag zu verbieten. Außerdem müsste die Schufa verpflichtet werden, die Berechnungsgrundlagen für ihr Scoring transparent zu machen. Einsicht in die Kontodaten von Personen sollte die Schufa ohnehin nicht haben. So wie die Schufa derzeit funktioniert, nützt sie nur den Banken, Vermietern und Unternehmen. Das muss sich die Mehrheit nicht gefallen lassen.
Janis Ehling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestagsbüro des Parteivorsitzenden der LINKEN, Bernd Riexinger.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Beitrags hieß es, T-Online sei ein Newsportal eines Telekommunikationsanbieters. Das Portal gehört seit 2015 jedoch zu Ströer Media.