18. November 2025
Frauke Petrys neue »Anti-Partei« Team Freiheit will mit der politischen Elite aufräumen – und eine ökonomische Elite an ihre Stelle setzen. Sollte das Projekt Erfolg haben, dürfte der Polit-Betrieb nur noch undemokratischer werden.

Frauke Petry hat genug von Politik und Parteien. Darum hat sie jetzt eine anti-politische Anti-Partei gegründet.
Wer will bestreiten, dass etwas faul ist im Parteienstaat? Man kann sich nur schwer dem Eindruck erwehren, dass Parteien, anstatt als Vehikel des Volkswillens zu dienen, vor allem Funktionärskarrieren befördern. Und häufiger, als dass die Führung von der Basis diszipliniert wird, ist es die Führung, die die Basis dazu bringt, ihre unpopuläre Politik mitzutragen.
Das ist keine neue Feststellung. Der Soziologe Robert Michels hat schon vor über hundert Jahren beschrieben, wie demokratische Parteien oligarchische Strukturen ausbilden. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass die Oligarchie viel älter ist als die Partei, dass man sie genauso gut ohne Parteien haben kann – und vielleicht sogar noch besser mit einer »Anti-Partei«.
Als solche versteht sich nämlich Team Freiheit, die neue politische Formation der ehemaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry und des ehemaligen Thüringer FDP-Chefs Thomas Kemmerich. Das Projekt ist offensichtlich darauf aus, die aus dem Bundestag geflogenen Liberalen durch eine stramm libertäre Kraft zu ersetzen, die ernsthaft »mehr Milei und Musk wagen« will – und nicht nur »ein klein bisschen«, wie Christian Lindner seine berüchtigte Aussage entschärfte. Dabei setzt Team Freiheit die Kettensäge als Erstes beim Konzept Partei an.
»Wenige reiche Leute sollen sich Manager-Typen aussuchen, die dann bei Wahlen antreten, um in Parlamenten und Regierungen ›die Freiheit‹ zu verteidigen.«
Die Parteigründung bezeichnet Kemmerich als eine »Formalie« – notwendig, um bei Wahlen antreten zu können. »Aber wir wollen da keine Massenorganisation draus machen.« Parteibasis – afuera! Als bestünde das Problem der heutigen Parteien darin, dass sie Massenorganisationen wären, und nicht im Gegenteil, dass sie ihren massenpolitischen Charakter verloren haben. Stattdessen soll ein kleiner Kreis von Parteimitgliedern mit der »Auswahl von kompetenten Menschen für Mandate« betraut sein, »wie ein Aufsichtsrat, der sich einen guten Vorstand sucht«.
Petry spricht auch von »Honoratioren« – nach Definition des Sozialwissenschaftlers Max Weber Menschen, die so wohlhabend sind, dass sie Politik aus Leidenschaft betreiben können, ohne Einkommen aus Ämtern zu benötigen. Die Parteimitglieder selbst sollen nämlich von Kandidaturen ausgeschlossen bleiben. Damit will Team Freiheit verhindern, dass Personen in hohe Staatsämter gelangen, nur weil sie hohe Parteipositionen bekleiden, obwohl sie streng genommen nicht für die Posten qualifiziert sind. Stattdessen sollen sie ihre Wahllisten mit parteilosen Kandidaten füllen, mit Vorliebe »aus der Wirtschaft«. Kurz: Wenige reiche Leute sollen sich Manager-Typen aussuchen, die dann bei Wahlen antreten, um in Parlamenten und Regierungen »die Freiheit« zu verteidigen.
»Eine Partei, die ernsthaft für die Freiheit streiten möchte, sollte die Menschen nicht nur gegen die Willkür des Staates, sondern auch gegen die Willkür von Unternehmen ermächtigen.«
Es darf jedoch bezweifelt werden, dass der Wert der Freiheit in den Händen einer wohlhabenden Elite besonders gut aufgehoben wäre. So gab der Staatsphilosoph Niccolò Machiavelli einst zu bedenken: »Der Schutz einer Sache muß denen anvertraut werden, die am wenigsten Lust haben, sie zu mißbrauchen.« Und während Eliten stets »ein großes Verlangen, zu herrschen« hätten, fände man beim einfachen Volk »nur das Verlangen, nicht beherrscht zu werden, [und] somit einen stärkeren Willen, in Freiheit zu leben, da es von ihrem unrechtmäßigen Besitz weniger hoffen kann als die Großen«.
Dass es Team Freiheit vor allen Dingen um die Freiheit der Bosse geht, kann man bei Petry unschwer heraushören, wenn sie die Losung ausgibt: »Staat, lass mich in Frieden, ich entscheide über mein Unternehmen, über meine Mitarbeiter« – denn für die Mitarbeiter klingt das nicht besonders freiheitlich. Eine Partei, die ernsthaft für die Freiheit streiten möchte, sollte die Menschen nicht nur gegen die Willkür des Staates, sondern auch gegen die Willkür von Unternehmen ermächtigen. Und dazu sollte sie umso mehr anstreben, eine populäre Massenpartei zu werden, insofern die Vielen im Schnitt die besseren Anwälte solch umfassender Freiheit sind als die Wenigen.
Team Freiheit gibt vor, die Probleme der Demokratie ließen sich beheben, indem man Organisationsprinzipien der Privatwirtschaft auf die Politik überträgt. Dabei sind einige ihrer Verfallserscheinungen wohl eher darauf zurückzuführen, dass dieser Übertragungsprozess bereits zu weit fortgeschritten ist. Zugegeben, sollte sich das Konzept Honoratiorenpartei durchsetzen, wäre ein neues Level erreicht. Wenn Petry aber zum Beispiel erklärt, dass »am Ende der Wähler ein Produkt kauft«, dann spricht sie damit lediglich einen längst etablierten Konsens aus.
Die auf den Volkswirtschaftler Joseph Schumpeter zurückgehende ökonomische Theorie der Demokratie, die Bürger als Politik-Konsumenten und Parteien als konkurrierende Anbieter auf einem Markt betrachtet, ist faktisch das Verständnis, nach dem die politischen Akteure unseres heutigen parlamentarischen Systems handeln: Sie betreiben »Marktforschung« durch Umfragen, lassen sich beim »Branding« von PR-Agenturen helfen und werben letztendlich mit grandiosen Worten um Wählerstimmen, die mit den angebotenen Reformen so wenig zu tun haben wie ein Softdrink, ein Parfüm oder eine Jeans mit dem Lebensgefühl, das der dazugehörige Werbespot transportiert.
»Der Bürger, der doch an der Produktion von Politik teilhaben sollte, wird auf einen bloßen Wähler reduziert, der nur noch konsumiert, was wechselnde politische Eliten ihm vorsetzen.«
Die Bürger dürfen sich dann aus einer Reihe von Politik-Paketen etwas aussuchen, ohne zu wissen, wie viel Luft in der Packung ist, wie viel von dem versprochenen Inhalt, und wie viel billiger Kulturkampf-Zucker, der vielleicht einen kurzen Kick gibt, aber langfristig nicht satt macht. Das ist ein ziemlich schwaches Verständnis von Demokratie, in dem der Bürger, der doch an der Produktion von Politik teilhaben und über ihre Inhalte mitbestimmen sollte, auf einen bloßen Wähler reduziert wird, der nur noch konsumiert, was wechselnde politische Eliten ihm vorsetzen.
»Die Rettung der Freiheit braucht einen Elitenwechsel«, schreibt Petry. Was es stattdessen braucht, ist eine Demokratisierung des Parteiwesens – aus der Überzeugung, dass »Mitarbeiter« im Betrieb, auf dem Bau oder in der Pflege wertvolle Anregungen dafür hätten, was politisch getan werden müsste, um ihnen ein freieres Leben zu ermöglichen. Sie bereits als Produzenten und nicht erst als Konsumenten in den politischen Prozess einzubeziehen, wäre das Freiheitlichste, was man tun könnte. Ob Team Freiheit mit dem entgegengesetzten Konzept zu einer relevanten Kraft werden kann, bleibt abzuwarten – so viel entscheidet der Wähler dann doch noch.
Thomas Zimmermann ist Print Editor bei JACOBIN.