13. Juni 2021
Eine Horde Freiwilliger macht sich mithilfe einer ganzen Industrie auf, um Not und Elend zu bekämpfen. Als wäre eine bessere Welt so günstig zu haben.
Rudi Dutschke vertrat eine Theorie der Revolution, bei der das individuelle Engagement von entscheidender Bedeutung ist und die Emanzipation der Menschheit nur durch »den vollen Einsatz der Persönlichkeit« gelingen kann. Die vonseiten orthodoxer Marxistinnen und Marxisten geäußerte Kritik beschuldigte Dutschke, sich von der Arbeiterklasse abzuwenden und kleinbürgerliche Politik in den Vordergrund zu stellen. Ihm wurde dabei vor allem eines vorgeworfen: Voluntarismus.
Dieser ist, wenn auch wortverwandt – nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Voluntourismus. Unter diesem Schlagwort entsendet ein un überschaubares Netzwerk von Tourismuskonzernen Jahr für Jahr Millionen von Freiwilligen aus Nordamerika und Europa in die Länder des Globalen Südens. Dort wird kein Urlaub gemacht, sondern Gutes getan, »etwas zurückgegeben« und – wie bei Dutschke – für eine bessere Welt gekämpft.
Zwar stellen beide Ausführungen das persönliche Handeln in den Vordergrund. Doch was bei Dutschkes Voluntarismus der politische Umsturz ist, sind beim Voluntourismus das gute Gewissen und die Lebensläufe der Freiwilligen – und natürlich die klingenden Kassen der Konzerne.