07. November 2023
Am 7. November 1923 sollte die Kommunistische Partei mit einem bewaffneten Aufstand in Deutschland die Macht erobern. Die geplante Revolution wurde in letzter Minute abgesagt – doch die Schlüsse, die die Partei daraus zog, würden sie im Kampf gegen den Nationalsozialismus entscheidend schwächen.
Wahlagitation der KPD in Essen zur Reichspräsidentenwahl im März 1925.
Bundesarchiv, Bild 183-14686-0026 / CC-BY-SA 3.0Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die 1918/19 gegründet wurde, wuchs bis zu ihrer Zerschlagung 1933 zur größten kommunistischen Partei außerhalb der Sowjetunion an. Aus der radikal-demokratischen Tradition der deutschen Arbeiterbewegung hervorgegangen, wurde sie nach und nach in eine hierarchische und monolithische Organisation umgewandelt, die blind den Anweisungen aus Moskau folgte und sich letztlich als unfähig erwies, den Aufstieg der Nazis an die Macht aufzuhalten.
Eine Schlüsseletappe auf diesem Weg bildet der Macht- und Strategiewechsel, der Ende 1923 einsetzte. Die KPD war nach dem Willen ihrer Gründer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die radikal-demokratische Alternative zur restaurativen und autoritären Ordnung des Kaiserreiches. Doch schon der Gründungsparteitag an der Jahreswende 1918/19 machte die beiden Haupttendenzen innerhalb der Partei sichtbar. Nach der Ermordung von Liebknecht und Luxemburg bestimmte dann fast unvermeidbar die radikale Linke die Politik der KPD.
Paul Levi, der neue Parteivorsitzende und Anhänger Luxemburgs, sah bereits im August 1919, dass die revolutionäre Welle abebbte. Folgerichtig orientierte er auf den Aufbau einer linkssozialistischen Massenpartei, die im Inneren demokratisch strukturiert sein sollte. Indem sie sich mit dem linken Flügel der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) vereinigte, wurde die KPD im Dezember 1920 in der Tat zur Massenpartei: Über 300.000 neue Mitglieder strömten ihr zu. Im Januar 1921 wandte sie sich unter dem Signum der Einheitsfront in einem Offenen Brief an die Arbeiterparteien und die Gewerkschaften, um gemeinsam gegen die Kapitaloffensive vorzugehen.
Eine starke ultralinke Strömung in der Partei setzte jedoch auf sofortige revolutionäre Aktionen. Diese würden die bislang der KPD fernstehenden Arbeiterinnen und Arbeiter mitreißen, die vorerst noch der SPD folgten. Die Ultralinken sahen die SPD in ihrer Gesamtheit als Gegnerin, nicht als potenzielle Verbündete. Ein erstes Fiasko dieser Politik ereignete sich 1921 in der sogenannten Märzaktion, als die KPD und die mit ihr kooperierende linksradikale Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) hofften, durch einen Aufstandsversuch im mitteldeutschen Raum die deutsche Revolution zu »machen«. Dies misslang, der Aufstand wurde rasch unterdrückt, Hunderte wurden verhaftet. Die KPD geriet vorerst in politische Isolation.
Paul Levi, der diesen Kurs entschieden verurteilte, verließ die KPD. Ihr linksradikaler Flügel, zu dem mit Heinrich Brandler und August Thalheimer damals auch noch Personen gehörten, die die ultralinke Politik später scharf kritisieren würden, hielt jedoch an der Zweckmäßigkeit solcher putschistischer Aktionen fest.
Die wichtigsten Wortführer des Linksradikalismus innerhalb der KPD, Ruth Fischer und Arkadij Maslow, die auch privat miteinander verbunden waren, stiegen in der Partei rasch auf. Noch 1921 wurde Maslow in die Leitung des KPD-Bezirkes Berlin-Brandenburg gewählt. Mit seiner Lebensgefährtin bekämpfte er die damals von der KPD-Führung wiederum propagierte Losung der Einheitsfront und das politische Projekt einer Arbeiterregierung mit der SPD. Man könne die Frage der Arbeiterregierung, so Maslow auf dem Leipziger KPD-Parteitag Anfang 1923, nicht stellen, ohne auf den Bürgerkrieg hinzuarbeiten. Fischer und Maslow fanden zunehmend Unterstützung in Moskau, wo die sowjetische Führung im Herbst 1923 auf einen »Deutschen Oktober« hoffte, auf die Wiederholung des siegreichen Aufstandes der Bolschewiki.
Zunächst prägte jedoch der politische Sinneswandel von Brandler und Thalheimer den Kurs der KPD. Nach der blutigen Niederschlagung der Märzrevolte war Brandler zu fünfjähriger Haft verurteilt worden, aus der er Ende 1921 nach Moskau fliehen konnte. Infolge einer Amnestie 1922 wieder in Deutschland, rückte er von voluntaristischen Aufstandsideen ab: Ohne die Einheitsfront mit Sozialdemokraten und die Unterstützung der Gewerkschaften sei eine sozialistische Revolution nicht möglich. Er, Thalheimer und Ernst Meyer entwickelten nun im Anschluss an Rosa Luxemburg das Konzept einer revolutionären Realpolitik.
»Im Jahre 1923 erreichte die politische, ökonomische und gesellschaftliche Krise in Deutschland einen neuen Höhepunkt. Das nie sehr starke Ansehen der Weimarer Republik erreichte in allen Klassen und Schichten einen Tiefpunkt.«
Im Jahre 1923 erreichte die politische, ökonomische und gesellschaftliche Krise in Deutschland einen neuen Höhepunkt. Das nie sehr starke Ansehen der Weimarer Republik erreichte in allen Klassen und Schichten einen Tiefpunkt. Im Ruhrgebiet kämpfte man gegen die französisch-belgische Besetzung, in Bayern gab es einen faschistischen Umsturzversuch, in Sachsen und Thüringen wurden die SPD-KPD-Arbeiterregierungen kurz nach ihrem Zustandekommen durch die Reichswehr aufgelöst, und insbesondere die Inflation zeitigte ruinöse Folgen. Nachdem letztere im Oktober 1923 eingedämmt wurde und damit ein wichtiges Element der Krise bewältigt worden war, entschloss sich die Moskauer Komintern-Zentrale dennoch, an ihrem im August gefassten Aufstandsplan festzuhalten. Sie suchte die ursprünglich defensiven Proletarischen Hundertschaften, die Schutztruppe der KPD, zur Revolutionsarmee aufzubauen, und legte den Aufstandstermin auf den 7. November fest.
Die KPD-Führung um Brandler blies jedoch diesen abenteuerlichen Revolutionsversuch, der ohne Chance war, beinahe rechtzeitig ab. Allein in Hamburg, wohin die Nachricht über den Abbruch der Aufstandsplanungen nicht gelangt war, kam es im Oktober 1923 zu einer sinnlosen Revolte, die von der KPD wie auch von der DDR-Geschichtsschreibung später verklärt werden sollte. Die KPD wurde für ein halbes Jahr verboten, doch der Weimarer Staat handhabte das Verbot recht lax, sodass sich die Partei neu formieren konnte. Die internen Streitigkeiten brachten jedoch nicht den realpolitischen Flügel, sondern die mit Moskauer Unterstützung agierenden Ultralinken in die Vorhand.
Nach der Oktober-Niederlage kam in der Komintern die Losung der »Bolschewisierung« auf. Die KPD, so dachte man, würde nur dann an die Macht gelangen können, wenn sie das russische Parteimodell übernahm. Dazu sollte sie einerseits auf Betriebszellenbasis umgebaut werden und die führende Rolle der Sowjetunion und ihrer alleinherrschenden Partei vorbehaltlos anerkennen. Andererseits wollte man innerparteiliche Fraktionskämpfe beenden und die als überflüssig erachtete Strategie-Diskussion einschränken. Stattdessen würde die Führung eine einheitliche politische Linie festlegen. Der harte Kern all dieser Überlegungen war der Gedanke, die nichtsowjetischen kommunistischen Parteien befänden sich gegenüber der sowjetischen Partei – der einzigen, die erfolgreich eine Revolution durchgeführt hatte – auf einem niedrigeren Niveau der politischen und organisatorischen Reife.
Die treibende Kraft in der Bolschewisierung war der damals mit Stalin verbündete Komintern-Vorsitzende Grigorij Sinowjew. Dieser behauptete, dass die ideale Partei monolithisch sein müsse, dass die schwankenden und unzuverlässigen Elemente periodisch aus ihr entfernt werden müssten und dass die Armee der Berufsrevolutionäre innerparteiliche Diskussionen auf jenes Mindestmaß zu beschränken habe, das für eine erfolgreiche revolutionäre Politik unumgänglich sei.
»Die Politik der Bolschewisierung erhielt ihre ideologische Weihe auf dem 5. Komintern-Kongress im Juni und Juli 1924 in Moskau. Dieser suchte die Parteien stärker in den Massen zu verwurzeln, um dem antizipierten Sieg der Weltrevolution ein Stück näher zu kommen.«
Dieses Konzept hatte Wladimir Lenin zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals in seinem Buch Was tun? entwickelt. Allerdings hatte Lenin damals die deutsche Sozialdemokratie als Prototyp einer europäischen marxistischen Partei im Auge gehabt, keineswegs eine verschwörerische Sekte, wie es ihm später manche Gegner unterstellten. Dabei nahm er die auch von Karl Kautsky geäußerte Vorstellung wieder auf, dass die Arbeiterklasse das trade-unionistische Niveau – das heißt rein ökonomische Ziele zu verfolgen, ohne die politische Machtfrage zu stellen – nur überschreiten könne, wenn die Partei ihr die sozialistische Theorie und die daraus erwachsende Praxis zugänglich machte.
Ende 1923 griff Stalin erstmals direkt in die Konflikte in der KPD ein. In Moskau machte man Maslow den nicht belegten Vorwurf, sich bei einem Polizeiverhör in Deutschland 1922 feige verhalten und kompromittierende Angaben über Karl Radek und andere Genossen gemacht zu haben. Eine vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale, dem EKKI, eingesetzte Kommission beschloss daraufhin, Maslow ein Jahr lang von jeder Führungsposition in der KPD zu entfernen. Allerdings übernahm Stalin nun den Vorsitz einer Subkommission, die diesen Beschluss noch vor Jahresende den Beschluss revidierte. Er drängte darauf, Maslow mit verantwortlichen politischen Funktionen zu betrauen, um den »linken« Parteiflügel gegen Brandler und Thalheimer zu stärken.
Nach erbitterten Kontroversen, in deren Folge die bisherige Parteiführung um Brandler und Thalheimer entmachtet wurde, rückte Maslow am 8. Februar 1924 als stellvertretender Sekretär des zeitweiligen Vorsitzenden Hermann Remmele in die neu formierte Spitze der KPD auf. Auf dem folgenden Frankfurter Parteitag im April 1924 schwenkte die KPD ins Ultralinke. Die einstimmig angenommene Resolution über »Die nächsten Aufgaben der KPD« orientierte auf die »Eroberung der politischen Macht« und die »Errichtung einer Rätediktatur« – von einer Rätedemokratie im Sinne Rosa Luxemburgs war einmal mehr nichts zu hören. Der Parteitag wählte mit Maslow den Wortführer der Ultralinken zum KPD-Vorsitzenden.
Bevor die neue Parteispitze ihren »Kampf« gegen Sozialdemokratie und »Brandlerismus« verstärken konnte, wurde sie zu einer wichtigen personellen Umstellung gezwungen. Am 20. Mai 1924 wurde Arkadij Maslow in Berlin verhaftet – vorgeblich wegen eines Handtaschendiebstahls. Dies diente, wie alsbald klar wurde, zum Vorwand, um ihn mit ganz anderen juristischen Vorwürfen zu belasten, von denen der des Hochverrats der schwerwiegendste war. So vordergründig an den Haaren herbeigezogen und so erfunden der Anlass der Verhaftung auch war, so gab es nunmehr vonseiten des Staates »Gründe«, Maslow in Untersuchungshaft zu halten. Er war damit aus der KPD-Politik ausgeschaltet. Nun übernahm Ruth Fischer die Leitung der Partei.
Fischer setzte die von Sinowjew verordnete Politik der Bolschewisierung durch und erstickte damit weitgehend – analog zum sowjetrussischen Modell – jede innerparteiliche Willensbildung. Sie hatte zusammen mit ihren Parteigängern Karl Korsch, Werner Scholem, Arthur Rosenberg, Hugo Urbahns und Josef Winternitz den entscheidenden Anteil daran, die KPD so zuzurichten, dass sie fortan ein Werkzeug in den Händen der jeweils Mächtigen in Moskau wurde.
Die Politik der Bolschewisierung erhielt ihre ideologische Weihe auf dem 5. Komintern-Kongress im Juni und Juli 1924 in Moskau. Dieser suchte die Parteien stärker in den Massen zu verwurzeln, um dem antizipierten Sieg der Weltrevolution ein Stück näher zu kommen. Die von der Gründung der Komintern im März 1919 bis zum Oktober 1923 dafür veranschlagten Zeiträume hatten sich als unreal erwiesen. Bereits im Juli 1921 hatte Trotzki die Frage aufgeworfen, ob es begründet sei, »anzunehmen, daß an Stelle politischer Erschütterungen und Klassenkämpfe eine neue, lang andauernde Epoche der Wiederherstellung und des Wachstums des Kapitalismus eintreten [könne]. Folgt daraus nicht die Notwendigkeit der Revision des Programms oder der Taktik der Kommunistischen Internationale?«
Der 10. KPD-Parteitag im Juli 1925 in Berlin bestätigte die Linie Sinowjews wie auch die Führung um Ruth Fischer, Werner Scholem und den inhaftierten Arkadij Maslow. Doch der Parteitag zeigte auch eine Stärkung Ernst Thälmanns innerhalb des engsten Führungszirkels. Thälmann war, im Gegensatz zu Fischer, kein Gefolgsmann Sinowjews, sondern Stalins, dessen Rivalität mit Sinowjew sich abzeichnete. Nachdem Fischer und Maslow die KPD auf »bolschewistische« Normen ausgerichtet hatten, wollte Stalin sich insbesondere der eigenwilligen Politikerin Fischer entledigen, die in seinen Augen mit ihrer unwägbaren Art nicht geeignet war, die Partei auch anhaltend auf diesem Kurs zu halten.
Wie instabil Fischers Position alsbald werden sollte, zeigte sich unmittelbar nach dem Berliner Parteitag, als auf einer ZK-Sitzung Anfang August Thälmann und Philipp Dengel das von ihr gezeichnete rosige Bild der KPD-Politik infrage stellten. Die politische Stagnation wie die finanziell angespannte Lage der Partei gehe auf das Konto der Führung, hieß es.
Für den 11. August 1925 wurde die KPD-Führung zum EKKI nach Moskau bestellt. Dort hielt der damals noch mit Stalin verbündete Nikolaj Bucharin Fischer entgegen, sie steuere die KPD auf einen von Moskau unabhängigeren Kurs. Dafür gab es keinerlei Hinweis, denn gerade sie hatte die KPD auf die Linie der russischen Partei eingeschworen, sie hatte die Politik der Bolschewisierung ebenso lautstark propagiert wie durchgesetzt. Doch musste es in Berlin wie in Moskau scheinen, dass ihr Leitungsstil unkontrollierbar geworden war. Eine allein entscheidende Frau an der Spitze der wichtigsten westlichen KP, umgeben von einer starken Hausmacht, zumeist Intellektuellen, die wohl nicht ewig bewundernd zu Sowjetrussland aufblicken würden, war eine potenzielle Gefahr für Stalin und seine Gefolgsleute. Zudem hatte Fischers autoritäre Führung viele bisherige Verbündete vor den Kopf gestoßen, sodass es relativ rasch gelang, innerhalb der Partei Mehrheiten gegen sie zu organisieren.
»Die KPD lehnte die bürgerliche Weimarer Republik ab und propagierte die Schimäre eines Sowjetdeutschland, von dem niemand so recht wusste, wie es aussehen würde.«
Am 1. September 1925 erschien in der KPD-Presse ein »Offener Brief«, der vom EKKI an die Mitgliedschaft der KPD adressiert war. Das EKKI warf der KPD-Führung vor, sie habe die Partei innerhalb der Arbeiterschaft isoliert. In überraschender Schärfe wurden ein Kurswechsel und neue politische Köpfe an der Spitze der Partei gefordert. Das ambivalente Verhältnis der Gruppe Fischer-Maslow zum EKKI habe antisowjetischen Tendenzen und antileninistischen Theorien Vorschub geleistet. Die Führung habe nicht entschieden genug gegen die ultralinken, »in Wirklichkeit antikommunistischen Tendenzen« gekämpft. Sie sei unfähig zu kommunistischer Gewerkschaftsarbeit; die Diktatur einer Fraktion habe die innerparteiliche Kritik erstickt und das Parteileben absterben lassen; statt prinzipielle politische Haltung anzubieten, habe die Führung um Fischer und Maslow hin- und hergeschwankt.
Das Dokument war in Moskau von der KPD-Delegation fast einstimmig akzeptiert worden. Es trug somit auch die Unterschrift von Fischer, die damit indes ihre eigene Entlassungsurkunde unterzeichnete. Fischer, Scholem und der inhaftierte Maslow, der ohnehin nichts tun konnte, mussten die Parteiführung abgeben. Zwar behielten sie noch ihre Sitze im Politbüro, doch neuer Parteiführer wurde Ernst Thälmann. Ruth Fischer wurde in Moskau der Reisepass entzogen. Während ihres unfreiwilligen Aufenthaltes im Hotel Lux traf sie Heinrich Brandler, der damals auf Weisung Stalins in der Roten Bauern-Internationale arbeitete. Erst im Juni 1926 konnte sie, und Brandler sogar erst 1928, nach Berlin zurückkehren. Dort mahlten inzwischen die Mühlen des Parteiapparates: Im August wurde Ruth Fischer zusammen mit dem im Juni aus dem Gefängnis entlassenen Arkadij Maslow aus der KPD ausgeschlossen.
Die Konsequenzen des Transformationsprozesses der KPD, in der Forschungsliteratur oft als »Stalinisierung« bezeichnet, waren enorm. Die KPD-Spitze um Ernst Thälmann entfernte 1926 und 1927 mit Karl Korsch und Arthur Rosenberg zwei der letzten eigenständigen antistalinistischen Theoretiker aus der Partei. Das neue ZK wurde durch Thälmann und seine Gefolgsleute durch zu einer unnatürlichen Einheit »zusammengeschmiedet«, um die martialische Sprache jener Zeit zu verwenden. Im Februar 1928 schlossen die Führungen von KPD und KPdSU in Moskau ein Abkommen, das eine Runde im ultralinken Kampf gegen die als »Sozialfaschisten« gebrandmarkte Sozialdemokratie einleitete.
Dieses Bündnis »bewährte« sich alsbald: Im August 1928 gelangten Informationen in die Presse, wonach John Wittorf, ein enger Freund Thälmanns und leitender KP-Funktionär in Hamburg, Parteigelder unterschlagen hatte. Die Angelegenheit weitete sich aus, und Thälmann konnte die Vorwürfe nicht entkräften, Wittorf gedeckt zu haben. Er wurde als Parteivorsitzender abgesetzt, jedoch am 6. Oktober durch das Exekutivkomitee der Komintern – das heißt durch die dort bereits herrschenden Parteigänger Stalins – wieder eingesetzt.
Ruth Fischer und Arkadij Maslow bemühten sich, wieder in die Partei aufgenommen zu werden, doch blieben erfolglos. 1928 waren beide kurzzeitig im antistalinistischen Leninbund organisiert, einer der kommunistischen Gruppen, die sich nun außerhalb der KPD bildeten. An der von Heinrich Brandler und August Thalheimer zur Jahreswende 1928/29 gegründeten KPD-Opposition (KPDO) beteiligten sie sich nicht. Neben den politischen blieben auch die persönlichen Differenzen lange Zeit unüberbrückbar.
Dies hatte weitreichende Folgen, die über die KPD hinausgingen: Die Partei sah in der SPD die Partei der »Sozialfaschisten« und den gefährlichsten, weil benachbarten politischen Gegner. Die SPD-Führung antwortete mit dem Schlagwort der »Kommunazis«. Die KPD lehnte die bürgerliche Weimarer Republik ab und propagierte die Schimäre eines Sowjetdeutschland, von dem niemand so recht wusste, wie es aussehen würde. Währenddessen suchte die SPD um fast jeden Preis die Übereinkunft mit den rechten Feinden der Republik, um nur keine pragmatische Einheitsfront mit den Kommunisten zu bilden, die möglicherweise die Zerschlagung der Republik verhindert hätte.
Dieser verhängnisvolle »Bruderkampf« entwaffnete die deutsche Arbeiterbewegung und machte sie im Januar 1933 wehrlos. Zwar erkannten die KPD-Opposition wie der Leninbund und andere kommunistische Kleingruppen vor 1933 klar die Gefahr des Faschismus und riefen zur Einheitsfront der Arbeiterparteien KPD und SPD gegen Hitler auf. Doch sie waren zahlenmäßig schwach, verfügten über kaum einen Apparat und nur eine Presse von geringer Reichweite. Ihre Bemühungen blieben ohne Aussicht auf Erfolg.
Mario Keßler ist Senior Fellow am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.